Report: Forscher wollen Asteroiden-Einschläge verhindern
Der Einschlag eines Meteoriten in Russland macht ihre Arbeit plötzlich besonders dringlich: Mitarbeiter des Raumfahrtunternehmens Astrium untersuchen am Bodensee, wie man Einschläge von Brocken aus dem All auf die Erde verhindern kann.
Friedrichshafen (dpa) - Den Absturz eines Meteoriten am Freitag im russischen Uralgebirge hätte man nicht verhindern können - da ist sich Asteroidenforscher Alan Harris sicher. „Keine Chance“, sagt der Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. „So kleine Objekte - unter zehn Metern Größe - kann man nicht vorher entdecken. Das ist auch für Experten eine Überraschung.“ Zum einen bräuchte man dafür schlicht größere Teleskope, die ständig nach solchen Objekten Ausschau hielten. „Diese Dinge haben wir aber nicht“, sagt Harris.
Zum anderen wäre viel mehr Vorlaufzeit nötig, um einen Einschlag zu verhindern: „Es bräuchte mehr als ein Jahr, um überhaupt etwas unternehmen zu können.“ Harris weiß genau, wovon er spricht: Als Leiter des internationalen Forschungsprojekts „NEOShield“ befasst er sich seit Januar 2012 intensiv mit der Frage, wie Einschläge von Brocken aus dem All auf der Erde abgewehrt werden können. 13 Partner aus Forschung und Industrie sind an der Kooperation beteiligt. Das Projekt ist auf dreieinhalb Jahre angelegt und wird von der Europäischen Union mit vier Millionen Euro unterstützt.
Drei Varianten gebe es für ein solches Bedrohungsszenario durch einen Asteroiden, sagt Harris. Hat man ein paar Jahre Zeit, könnte man zum Beispiel eine Raumsonde in die direkte Nähe des Brockens bringen. Ihre Gravitation würde sich auf den Asteroiden auswirken und ihn ganz langsam - wie von einem Seil gezogen - von seiner ursprünglichen Flugbahn ablenken. Diese Möglichkeit wird derzeit in den USA untersucht.
Muss es schneller gehen, gibt es eine Variante, die Ähnlichkeit mit dem US-Actionfilm „Armageddon“ hat und an der momentan Russen forschen: Eine nukleare Explosion unmittelbar auf oder neben einem Asteroiden. „Diese Möglichkeit wird aber sehr kontrovers gesehen“, sagt Harris.
Die dritte Variante wird unter anderem beim Raumfahrtunternehmen Astrium am Standort in Friedrichshafen am Bodensee untersucht: Die Idee ist es, eine Raumsonde auf dem Asteroiden einschlagen zu lassen und ihn dadurch von seiner Bahn abzubringen. „Sehr realistisch“, urteilt Harris.
Der Einschlag in Russland zeigt, dass die Gefahr aus dem All nicht so abstrakt und theoretisch ist, wie sie auf den ersten Blick scheinen mag. Ein aktuelles Beispiel ist auch der Asteroid „2012 DA14“, der am Freitag relativ dicht an unserem Planeten vorbeifliegen sollte.
Beide Ereignisse an einem Tag? „Wahnsinniger Zufall“, nennt es Harris. „Soweit wir wissen, sind die Umlaufbahnen der beiden ganz anders.“ Es sei ziemlich sicher, dass sie nichts miteinander zu tun hätten. „Aber der Zufall ist auch mir ein bisschen ungeheuer“, sagt der Forscher. „Wir müssen abwarten, bis wir alle Informationen haben und die Ereignisse richtig analysieren können.“
Entdeckt wurde „2012 DA14“ erst im vergangenen Jahr. Genau darin liege auch das Risiko, sagt Noah Saks, der mit etwa zehn weiteren Astrium-Kollegen in Friedrichshafen, Bremen, Stevenag (England) sowie Les Mureaux und Toulouse (beide Frankreich) an „NEOShield“ beteiligt ist. „Kleinere Asteroide sind nur schwer zu finden. Wir wissen einfach nicht genau, wo sie sind.“
Etwa 600 000 Asteroiden befinden sich nach Angaben der Nasa derzeit in unserem Sonnensystem. 8000 davon sind laut DLR als „Near Earth Objects“ (Neo) identifiziert worden - also als potenziell gefährlich - und jeden Monat kommen 70 weitere hinzu. „Wenn die Gefahr da ist, müssen wir direkt loslegen“, sagt Saks. „Dann kann man keine Studien mehr machen.“
Die Daten, die von den Wissenschaftlern während des Projekts gesammelt werden, sollen daher kontinuierlich in Computersimulationen einfließen. Am Ende der dreieinhalb Jahre sollen aber nicht nur Kenntnisse über Asteroiden und eine mögliche Abwehr vorliegen, sagt Harris. Ziele seien auch eine Art Demo-Mission und ein Notfallplan für den Fall der Bedrohung. Wer dann allerdings die politische Verantwortung tragen würde, sei momentan noch völlig unklar, erläutert Harris. Die Frage werde in diesen Tagen auf einem Treffen der Vereinten Nationen in Wien beraten.