Report: Kuscheln im fremden Bett - Kita-Betreuung rund um die Uhr

Schwedt (dpa) - Kinderbetreuung nach Feierabend und Dienstschluss - im brandenburgischen Schwedt ist das kein Thema. Seit zehn Jahren bietet die Kita „Schnatterenten“ auch Betreuungsplätze über Nacht an.

Vor allem Schichtarbeiter nutzen diese für ihre Kleinen.

„Unsere Erfahrungen sind sehr gefragt“, berichtet Kita-Leiterin Marlies Helsing. Aus Solingen, Flensburg, Schwerin, selbst aus Luxemburg kamen Anfragen. Bundesweit gibt es solche oder ähnliche Angebote neben Brandenburg beispielsweise auch in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Weitere 24-Stunden-Kitas sind geplant. Ein Begriff, an dem sich Marlies Helsing aber stößt.

„Wir sind eine Übernachtungskita“, betont die Leiterin. Es gibt 30 Plätze für die reguläre Betreuung tagsüber. „Die Kinder werden nicht für 24 Stunden bei uns abgegeben. Sie kommen nur, wenn die Eltern arbeiten.“ Besonders Schichtarbeiter aus Industrie, Gastronomie oder Handel, mit nächtlichen Arbeitszeiten nutzen das Angebot. Die zusätzlichen Kosten übernehmen Sponsoren oder Kooperationspartner der Kita. „In die Kita abgeschoben werden die Kinder nicht“, betont Helsing. Das werde kontrolliert. „Wir lassen uns vom Arbeitgeber nachweisen, dass Vater oder Mutter arbeiten mussten.“

Niemand kann sein Kind bringen und schwofen gehen - in dem Fall zahlen die Eltern fünf Euro pro Stunde. Die Kita nimmt über Nacht auch Kinder aus anderen Kindergärten auf, so Bedarf besteht. Wer übernachtet, freut sich auf Oma Ilse. Die 59-jährige Vorruheständlerin war selbst Kindergärtnerin, vermisste zu Hause aber das Kinderlachen. Bei den „Schnatterenten“ verdient sie sich nun etwas dazu. Hat sie die Knirpse eingesammelt, bastelt und spielt sie mit ihnen, bevor sie Abendbrot macht und sie zu Bett bringt. Sie selbst schläft in der Nähe. Am Morgen übergibt sie die Kinder den Erziehern.

Für diese sogenannte „Sternstundenbetreuung“ interessieren sich auch zunehmend Unternehmen. Die Betriebe übernehmen die Mehrkosten für diese Unterbringung, da es dafür keine staatlichen Zuschüsse gibt. Helsing fordert ein Gesetz. „Dafür muss es Geld geben, da zusätzliches Personal benötigt wird.“ Die Schwedter Kita mit zwölf Mitarbeitern und 30 Plätzen wird derzeit von Land, Landkreis Uckermark und Stadt finanziell unterstützt.

Kindergärten mit Betreuung rund um die Uhr gab es schon in der ehemaligen DDR. Mit dem Geburtenknick nach der Wende sank der Bedarf. Als Helsing die „Schnatterenten“ 2003 mit dem Verein „Leg los - Werd groß“ gründete, griff sie auf diese Idee zurück. Fünf Jahre später gab es dafür den Zukunftspreis Brandenburg.

Für Diplompsychologen Klaus Neumann aus München sind bei dieser Betreuungsform drei Punkte wichtig: Die Kinder sollten guten Kontakt zur Kita haben. Die Eltern sollten ihren Kindern gut erklären, warum sie dort übernachten und was sie erwartet. Zudem sei das eine wunderbare Gelegenheit, bei der Kinder auch etwas lernten, meint der Beauftragte für Kindeswohl beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. „Kinder lieben zwar das Abenteuer, möchten aber auch wissen, was mit den Eltern ist, vergessen sie mich auch nicht.“ Positiv sei zudem, dass die Eltern entlastet werden. „Und entlastete Eltern können ihren Kindern vielmehr entsprechen.“