Report: Nervöse Flutopfer sammeln sich in Notunterkünften
Halle (dpa) - Unaufhörlich strömen Menschen mit gepackten Koffern und kleinen Habseligkeiten in eine der größten Notunterkünfte der Stadt Halle. In der Turnhalle harren am Mittwochnachmittag schon etwa 50 Hochwasseropfer aus.
Da erwarteten die Rettungskräfte noch etliche Schutzsuchende - größtenteils Rentner und Pflegebedürftige. Vielen steht der Schock ins Gesicht geschrieben. „Man hat zu mir gesagt: "Packen Sie Ihre Sachen zusammen und kommen Sie mit"“, berichtet ein 74 Jahre alter Rentner. Er ist erst am Vortag nach einer Herz-OP und einem Kuraufenthalt in seine Wohnung in Halle-Neustadt zurückgekehrt.
Vielen der in der Sporthalle untergekommenen Menschen geht es ähnlich wie dem 74-Jährigen. Rund 1000 Hallenser wurden am Mittwoch aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Im schlimmsten Fall wären sogar 30 000 Menschen betroffen, sagte Pia Leson vom Krisenstab Sachsen-Anhalt am Abend. Ein Deich droht zu brechen, teilte die Stadt mit. Fünf große Gebiete waren gefährdet - vor allem der nördliche und südliche Teil von Halle-Neustadt, wie die Stadt mitteilte. Jeder 20. Anwohner dort sei krank oder pflegebedürftig, so ein ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes der Stadt.
In der Sporthalle warten die Betroffenen nervös auf neue Informationen. Viele gehen an Krücken, stützen sich auf Rollatoren, und gehen vorsichtig zur Getränkeausgabe. Manche sitzen in Rollstühlen und werden von Pflegern an die Ränge der Wettkampfstätte geschoben. Vor der Turnhalle stehen Busse und Krankentransporter. Wer nicht aus eigener Kraft sein Haus verlassen kann, wird abgeholt. „Es gab Sammelpunkte, die wir in der Aufregung aber nicht gefunden haben“, sagte eine 52-Jährige. Neben ihr sitzt ihr kleiner Hund. „Wir haben schon alles durchgemacht, aber das noch nicht“, sagte sie.
Rettungskräfte von Hilfsorganisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) laufen unermüdlich durch die Reihen, verteilen Getränke, notieren Namen, telefonieren Angehörigen hinterher. „Meine Tochter holt mich heute Abend hoffentlich ab“, wünscht sich eine 77 Jahre alte Frau. Das „Schlafzimmer“, wie sie das Pritschenlager am anderen Ende der Halle scherzhaft nennt, sei nur im Notfall eine Option. Wie viele Menschen über Nacht bleiben müssen, sei noch unklar, sagt ein DRK-Mitarbeiter. Für schwer Beeinträchtigte seien Betten reserviert.
Den Angaben zufolge erreichte die Saale am Mittwoch einen Wasserstand von deutlich mehr als acht Metern - den höchsten seit 400 Jahren in Halle. Normal ist ein Pegelstand des Flusses in der Stadt von knapp zwei Metern. Im Stadtteil Kröllwitz sind Häuser von den Wassermassen umkreist, Straßen, Plätze und wichtige Zufahrtsstraßen sind unpassierbar. Noch immer sind Rettungssirenen zu hören, Einsatzkräfte rollen auf Fahrrädern zu den überfluteten Orten. Besorgte Menschen schauen bang in die reißenden Fluten.