Report: SPD-Basis tut sich schwer mit Schwarz-Rot
Hofheim (dpa) - Bei Sigmar Gabriels Einzug in die Hofheimer Stadthalle ist der Beifall der Genossen noch spärlich - nach seiner halbstündigen Rede wird kräftig applaudiert.
Der SPD-Chef wirbt bei der ersten von 32 Regionalkonferenzen nach dem schwarz-roten Händedruck mit Verve für den Vertrag, den er zwei Nächte vorher mit der Union ausgehandelt hat. Die Basis will mit ihrem Vorsitzenden über das ungeliebte Bündnis diskutieren, beim Schriftführer stapeln sich Dutzende Wortmeldungen.
Gabriel listet die Erfolge auf: Mindestlohn, abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren, weniger Zeit- und Leiharbeit. Man habe fast alle Forderungen der Gewerkschaften „einschließlich der Kommafehler“ in den Vertrag übernommen, sagt er. „Wir haben alle unsere Forderungen zur Mietpreisbremse durchgesetzt.“
Auch der IG-Metaller Armin Schild lobt das Ergebnis zum Mindestlohn: „Wir haben das im Gewerkschaftslager gebraucht - dringend, dringend, dringend.“ Doch gerade am Mindestlohn von 8,50 Euro entzündet sich die Debatte. Wenn man das Kleingedruckte im 180 Seiten langen Vertrag liest, soll er erst 2017 kommen. So sei diese Lohnuntergrenze „ein leeres Versprechen“, kritisiert eine ehemalige Bankkauffrau und Betriebsrätin. Ein Genosse ereifert sich, er wolle „das Verbrechen nicht mittragen“, den Mindestlohn auch nur ein Jahr zu verzögern.
„Ich bin kein Freund der großen Koalition“, bekennt der Wiesbadener Stadtverordnete Simon Rottluff. Schließlich müsse er in der hessischen Landeshauptstadt in solch einem Bündnis arbeiten. Aber als Gewerkschafter trage er den Vertrag mit. So geht es weiter, Befürworter und Kritiker halten sich etwa die Waage. Wenn das repräsentativ ist, wird das kommende SPD-Mitgliedervotum spannend. Den meisten Rednern aus dem traditionell linken Parteibezirk Hessen-Süd geht es um einzelne Vor- und Nachteile des schwarz-roten Koalitionsvertrags. Davor warnt der SPD-Chef: „Nicht eine Sache herausgreifen, weil der Rest nicht gekommen ist“, sagt Gabriel. „Ich bitte immer zu überlegen: Wird das der Verantwortung für die gesamte Partei gerecht?“
Auch ihn und den hessischen Landesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel beschäftigen die Folgen eines erneuten Regierens mit CDU-Kanzlerin Angela Merkel für die SPD. Von „Unbehagen“ spricht der frisch gekürte SPD-Bundesvize. Vier Vorsitzende habe die SPD wegen der großen Koalition und ihren Folgen verschlissen. Aber auch er ist für den Vertrag. Nur werde die SPD diesmal ein weniger braver Partner sein, sagt Schäfer-Gümbel.
Auch Gabriel blickt zurück in die Parteigeschichte mit bislang zwei großen Koalitionen (1966-1969 und 2005-2009). Nach der ersten sei Willy Brandt Kanzler geworden, nach der zweiten habe die SPD die Prügel abbekommen. „Es steht mal 1:1 in der Frage.“