Report: Was will das Volk? - Spurensuche bei Pegida
Dresden/Leipzig (dpa) - „Was will das Volk?“ - Das fragen sich in Zeiten von Pegida Kommentatoren, Forscher und Politiker. Die in Dresden gegründete islamkritische Bewegung trägt trotzig den Ruf „Wir sind das Volk“ aus dem Herbst 1989 vor sich her.
Mit einer epochalen Friedlichen Revolution hat das jedoch nichts zu tun, wie ein prominent besetztes Podium von Deutschlandradio Kultur und Stiftung Frauenkirche am Dienstagabend in dem Gotteshaus feststellte. In der Leipziger Volkshochschule prallten derweil bei einem Forum die Ansichten zu dem Pegida-Ableger Legida teils hart aufeinander.
In Dresden beschrieben die Gesprächspartner unisono eine Vertrauenskrise und warben für Dialog. „Ich glaube an die Kraft der Debatte und Aufklärung“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Die Situation sei eine Chance für die Demokratie, denn er hoffe trotz der Begleitumstände von Pegida auf einen Beitrag zur Politisierung der Gesellschaft. Mit Sachsens Landesbischof Jochen Bohl, Politikwissenschaftler Hans Vorländer und Bascha Mika, Chefredakteurin der „Frankfurter Rundschau“, war er sich einig darin, dass es einen Vertrauensverlust in Politik und Medien gibt.
„Demokratie ist auch für Bürger anstrengend und eine Aufgabe nicht nur für Politiker“, mahnte de Maizière zur Mitbestimmung. Der Wille, Einfluss zu nehmen, könnte Anlass und Widerlager für Gespräche sein, meinte Bischof Bohl. Auch er sieht aber ebenso die Menschen selbst in der Pflicht, angefangen bei der Wahlbeteiligung bis zur Diskussion um Defizite. „Vertrauen in Veränderungsprozesse zu stiften, ist schon ein Schlüssel“, befand der Bundesinnenminister.
In der offenen Fragerunde dominierte dann das Thema Asyl. „Wir sind offen und müssen es auch sein“, warb de Maizière. Die Zuwanderung von Fachkräften, die Deutschland dringend brauche, sollte nach Kriterien erfolgen. Dafür bekam er Beifall aus dem sehr gemischten Publikum.
In Leipzig waren es mehrheitlich ältere Männer, die der Einladung zum Dialog mit Anhängern der islamkritischen Legida-Bewegung gefolgt waren. Aus manchem Diskussionsbeitrag klang Verbitterung, offenbar aufgestaut seit der Wiedervereinigung Deutschlands. Da wurde den Politikern Versagen in Finanzfragen ebenso vorgeworfen wie Scheitern in der Integrationspolitik. Ein Ruheständler erklärte, er warne seine Enkel vor Menschen, die „wie Muslime aussehen“ - und ernete heftige Rassismusvorwürfe einer Studentin.
Gut 90 Minuten dauerte das Forum, das bei allen Gegensätzen doch zeigte, dass es auf beiden Seiten Ansätze zum Austausch gibt. Zum ruhigen Ablauf beigetragen hatte auch die Form der Diskussion: Vier Stühle standen für die bereit, die sprechen wollten, länger als drei Minuten sollten die Redebeiträge nicht sein - und fast alle der 28 Redner, die zu Wort kamen, hielten sich daran.
„Rassismus ist Realität in Dresden, seit Jahren“, beschrieb eine Kanadierin in der Frauenkirche das Dilemma der Barockstadt. „Ich erfahre das jeden Tag“, sagte sie. Im Publikum Betroffenheit. Der Hass treffe nicht nur Asylbewerber. „Ich bin so enttäuscht, denn ich liebe dieses Land und ich liebe Dresden.“