Analyse Schon wieder Russland: Trumps Umgang mit Geheimdienstinfos
Washington (dpa) - Donald Trump hat ein Problem mit Russland - und er scheint vieles dafür zu tun, dass er es nicht los wird. Was die „Washington Post“ aus dem Weißen Haus zutage förderte, gleicht einer Posse auf allergrößter weltpolitischer Bühne.
Trump, Präsident der Vereinigten Staaten, soll höchstpersönlich dem russischen Außenminister Sergej Lawrow Dinge gesteckt haben, die als hochvertraulich hätten behandelt werden sollen.
Unter anderem soll Trump den Ort genannt haben, von dem aus ein befreundeter Geheimdienst hochsensibles Material zum Islamischen Staat gesammelt hatte - Informationen, die die USA nicht einmal innerhalb der Regierung weitergeben, wie die „Washington Post“ unter Berufung auf frühere und aktive Mitarbeiter des Weißen Hauses schrieb. Informationen, für deren Weitergabe ein Codewort nötig ist.
Im Extremfall kann Trumps Plauderei wohl einen oder mehrere für den Westen arbeitende Agenten mit Zugang zum Innersten des Terrornetzwerks Islamischer Staat auffliegen lassen. Was das im Reich der messerschwingenden Terrorfürsten bedeutet, braucht keine Beschreibung.
Ganz nebenbei vermasselte Trump es sich auch noch mit einem nicht näher bezeichneten befreundeten Nachrichtendienst. „Ein Alptraum“, hieß es von Geheimdienstlern in Washington. Und das in einer Phase, in der Trumps erst kurze Präsidentschaft wegen der Affäre um FBI-Chef James Comey in der tiefsten der bereits zahlreichen Krisen steckt.
Hastige Dementis seines Nationalen Sicherheitsberaters Herbert Raymond McMaster und von Außenminister Rex Tillerson trugen im ersten Moment wenig zur Beruhigung bei. Zwar bestätigte McMaster, dass es bei den Gesprächen um terroristische Bedrohungen im Zusammenhang mit Laptops an Bord von Flugzeugen gegangen sein könnte. Die Vorwürfe, so wie sie berichtet worden seien, seien aber falsch, sagte McMaster.
Trump brauchte mehr als zwölf Stunden, um auf seinem bevorzugten Informationskanal Twitter Stellung zu nehmen. Er habe lediglich Informationen weitergegeben, die zur Terrorbekämpfung auch für Russland wichtig seien. Schließlich solle Moskau seinen Kampf gegen den IS ausweiten. Trump führte nicht zuletzt humanitäre Gründe an. Er folgte damit Kommentatoren auf seinem Haussender Fox News, die genau diese Argumentation schon am Vorabend verfolgt hatten: „Warum nicht, wenn es dem Kampf gegen den Terror hilft?“
Doch den Hauptverdacht, just diesen Kampf durch Schwächung der Geheimdienstarbeit potenziell konterkariert zu haben, konnten weder Trump noch McMaster oder Tillerson ausräumen. Trump hat womöglich Informationen preisgegeben, die zum Enttarnen von Geheimdienstquellen von Verbündeten taugen.
Insgesamt unterfüttert die neuerliche Affäre die Frage, die in Washington immer häufiger gestellt wird: „Was hat Trump eigentlich mit Russland am Hut?“ Und darüber hinaus: Hat Trump nicht gerade eben das getan, wofür er seine Wahlkampfgegnerin Hillary Clinton einsperren lassen wollte?
Der politische Gegner und Kritiker in den eigenen Reihen brauchten nicht lange, um ihre Geschütze auszurichten. „Ganz offensichtlich befinden sie sich in einer Abwärtsspirale“, befand der Republikaner Bob Corker, ein Senator aus Trumps eigener Partei, mit Blick aufs Weiße Haus. Der Oppositionsführer im Senat, Charles Schumer, forderte den Präsidenten zu einer Erklärung auf. Diese schulde Trump nicht nur dem Kongress, sondern auch den Geheimdiensten und dem amerikanischen Volk. Sogar Paul Ryan, Vorsitzender des Abgeordnetenhaus und bisher ein Muster an Loyalität, forderte Aufklärung von Trump.
Der Besuch des russischen Außenministers Lawrow bei seinem Amtskollegen Rex Tillerson in den USA hatte schon seltsam begonnen. Erst sollte er am Rande des Treffens des Arktischen Rates in Alaska stattfinden. Dann wurde das Gespräch kurzfristig nach Washington verlegt - unter anderem wohl, weil auch Trump selbst dabei sein wollte, wenn sich Vertreter der beiden wichtigsten Atommächte der Welt auf hoher Ebene gegenübertreten.
Als die russische Delegation dann ins Oval Office schritt, hatte sie einen Fotoreporter im Schlepptau. Als Mitarbeiter des Außenministeriums vorgestellt, wanderten seine Bilder von einem grinsenden Donald Trump im Kreise seiner russischen Besucher im Nu auf den Draht einer russischen Nachrichtenagentur - ein gelungener PR-Coup des Kremls.
Das Treffen fand statt, nur einen Tag nachdem Trump in einem höchst umstrittenen Schritt seinen FBI-Chef James Comey gefeuert hatte. Möglicherweise auch, wie Kritiker glauben, weil dieser eine Untersuchung vorantrieb, ob das Trump-Lager im zurückliegenden Wahlkampf illegale Kontakte zur russischen Regierung unterhalten hatte. In jedem Fall gab Trump in einem Interview an, „das Russland-Ding“ habe er bei seiner Personalentscheidung im Kopf gehabt.
Vergleiche zur Watergate-Affäre des letztlich zurückgetretenen US-Präsidenten Richard Nixon drängten sich geradezu auf. Eine desaströse Kommunikationspolitik war nicht gerade hilfreich, um die Personalie nach außen zu verkaufen. Sein Pressesprecher Sean Spicer soll sich im Garten des Weißen Hauses versteckt haben, um Fragen von Reportern zu diesem Thema aus dem Weg zu gehen.
Einen Tag nach dem Comey-Rauswurf traf Trump sich nicht nur mit Lawrow, sondern auch mit dessen US-Botschafter Sergej Kislyak. Jenem kauzig wirkenden Diplomaten, dessen Gespräche mit mehreren Trump-Beratern schon zuvor für Flurschaden gesorgt hatten. Der ehemalige Nationale Sicherheitsberater Michael Flynn stolperte nach nicht einmal einem Monat im Amt darüber, genau mit diesem Mann gesprochen zu haben.
Warum Trump nun ausgerechnet jenem Kislyak, der auch seinen Justizminister Jeff Sessions und seinen Schwiegersohn und Berater Jared Kushner negativ in die Schlagzeilen brachte, ins Weiße Haus einlud - es bleibt bisher sein Geheimnis. Der Präsident, dessen Beliebtheitswerte weiter rapide sinken, steckt kurz vor seiner ersten Auslandsreise in der Bredouille.