Schuhe, Haare, Koffer: Beweisstücke des Terrors
Frankfurt (Oder) (dpa) - 3800 Koffer, 40 Kilogramm Brillen, 80 000 Schuhe. Einst gehörten sie Gefangenen in Auschwitz. Sie sind Symbol für den Völkermord und das Böse. Eine Wissenschaftlerin aus Brandenburg erforscht, wie diese Hinterlassenschaften restauriert und konserviert werden.
„Die Schuhe sind ein Symbol für Auschwitz“, sagte Restaurierungswissenschaftlerin Beate Kozub in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Die Restaurierung solcher und anderer Hinterlassenschaften sei in den vergangenen Jahren immer weiter fortgeschritten - parallel zum Stand der Technik, den politischen und finanziellen Bedingungen.
In ihrer Dissertation an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) hat die 44-Jährige erforscht, wie solche Fundstücke im früheren Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau auch künftigen Generationen als Mahnung erhalten bleiben können.
„Für mich ist es wichtig, dass der Umgang mit diesen sogenannten negativen Kulturgütern auch in der Ausbildung für Restauratoren verankert wird“, forderte Kozub. „Als Restauratorin möchte ich auch die finanziellen Möglichkeiten haben, sie zu erhalten.“ Zu den „negativen Kulturgütern“ gehören zum Beispiel die rund 3800 Koffer, 40 Kilogramm Brillen und mehr als 80 000 Schuhe in der Sammlung der KZ-Gedenkstätte in Polen. In Auschwitz starben unter dem Nazi-Terror mehr als eine Million Menschen.
Die Schuhe etwa seien in den 1970er Jahren entstaubt und mit einer Fettschicht versehen worden. Diese habe allerdings im Laufe der Zeit erneut Staub angezogen und die Schuhe grau aussehen lassen. Mit der Einrichtung einer Restaurierungswerkstatt 2003 habe die „individuelle Restaurierung“ begonnen. Viele Schuhe hätten ihre Farbe wieder - und so könnten Besucher heute rote und braune Exemplare sehen. In manchen seien Zeitungsausschnitte und Zettel entdeckt worden.
Kozub verwies darauf, dass die Ausstellungsstücke in Auschwitz - weltweit wichtigstes Symbol für den Holocaust - nicht bloß Exponate eines Museums seien. „Sie sind auch Beweisstücke“ - für die Verbrechen der Nationalsozialisten. Die angemessene Restaurierung sei so aktuell wie nie: Im vergangenen Jahr hätten 1,4 Millionen Menschen die Gedenkstätte besucht, sagte Kozub.
Im Jahr 2009 sei eine neue Stiftung zur Bewahrung der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau gegründet worden. Es solle mit Hilfe verschiedener Staaten - auch Deutschland - ein 120-Millionen-Euro-Fonds geschaffen werden, erklärte Kozub. Dann könnten bis zu fünf Millionen Euro an Zinsen für Restaurierungszwecke zur Verfügung stehen.
„Wir wollen in unserer Gesellschaft die Toleranz und das friedliche Miteinander bewahren. Umso wichtiger ist es, sich mit den Fehlern zu befassen“, sagte Kozub. Dabei spiele das Authentische eine große Rolle. Erst am Mittwoch war das Ergebnis einer Umfrage des Forsa-Instituts im Auftrag des Magazins „Stern“ veröffentlicht worden, wonach jeder fünfte junge Erwachsene nichts mit dem Begriff Auschwitz anfangen kann.
Die Wissenschaftlerin mit polnischen und deutschen Wurzeln forscht weiter an der Viadrina. Sie und ihr Team wollen herausfinden, wie es weltweit um die Restaurierung und den Umgang mit Fundstücken ähnlich denen in Auschwitz steht - etwa aus Bürgerkriegen.