Sedran: Verantwortung gegenüber allen Mitarbeitern
Rüsselsheim (dpa) - Nun ist es amtlich: Opel schließt die Fahrzeugfertigung in Bochum. Die jüngsten Sparrunden reichten nicht, um die Kapazitäten des defizitären Herstellers an die schwache Nachfrage in Europa anzupassen.
Es wird nachgebessert, allerdings erst 2016.
Im Interview der Nachrichtenagentur dpa erläutert Opel-Interimschef Thomas Sedran die Entscheidung.
Mit welcher Botschaft sind Sie heute vor die Opel-Beschäftigten in Bochum getreten?
Thomas Sedran: „Wir haben in einer Betriebsversammlung in Bochum angekündigt, dass wir trotz intensiver Anstrengungen die Produktion von kompletten Fahrzeugen in Bochum im Jahr 2016 beenden müssen.“
Wird der Standort also dicht gemacht?
Sedran: „Opel bleibt auch zukünftig in Bochum präsent. Nicht nur mit dem Logistikzentrum. In dem Warenverteilzentrum arbeiten ... 430 Menschen, es könnten aber deutlich mehr werden. Wir haben Ideen, wie wir es ausbauen können. Wir diskutieren mit dem Betriebsrat auch eine im Detail noch festzulegenden Komponentenfertigung - als Teil eines umfassenden Deutschland-Plans.“
Seit Monaten verhandeln Sie mit dem Betriebsrat und der IG Metall über den Deutschland-Plan. Gab es keine andere Lösung für Bochum?
Sedran: „Wir hatten schon im Juni angekündigt, dass wir kein Nachfolgemodell für den Zafira-Tourer in Bochum haben, das 2017 kommen müsste. Wir haben uns die Entscheidung wahrlich nicht einfach gemacht, aber auch in sechs Monaten intensiver Anstrengungen keine wirtschaftliche Lösung für die Fahrzeugfertigung in Bochum gefunden.“
Worum geht es bei den Verhandlungen mit Stadt und Land?
Sedran: „Wir werden für alle unsere Mitarbeiter in Bochum einen guten und vernünftigen Weg finden, und zwar in enger Kooperation mit dem Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Bochum sowie den Arbeitnehmervertretern. Wir haben ein Konzept fertig: Die Entwicklungsgesellschaft "Bochum Perspektive 2022", die die Aufgabe hat, Arbeitsplätze in Bochum und im Ruhrgebiet zu schaffen. Das werden in erster Linie Arbeitsplätze sein, die nicht zwingend etwas mit Opel selbst zu tun haben.“
Bleibt es beim Aus der Getriebefertigung Ende 2013?
Sedran: „In der Getriebefertigung im Bochumer Werk II können wir uns vorstellen, es im Rahmen der Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern etwas länger als geplant bis Ende 2013 laufen zu lassen. Ursprünglich sollte es schon 2011 schließen, aber wir haben immer noch Bedarf für das Getriebe.“
Der Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel hat das Unternehmen mehrfach vor der teuersten Werkschließung aller Zeiten für General Motors gewarnt. Trotzdem werden sie bald keine Autos mehr im Ruhrgebiet bauen?
Sedran: „Wir haben eine unternehmerische Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern in Bochum, aber natürlich auch gegenüber insgesamt mehr als 37 400 Menschen, die derzeit für uns arbeiten. Wir haben jetzt vier Jahre Zeit, neue Wege zu finden. Wir werden die vier Jahre nutzen, um alternative Arbeitsplätze zu entwickeln. Die bisherige Standortgarantie bis Ende 2014 verlängern wir um zwei Jahre - vorbehaltlich der Einigung mit den Arbeitnehmervertretern.“
Warum gibt es keine Zukunft für die Autofertigung in Bochum?
Sedran: „Wir leiden unter enormen Überkapazitäten und einem dramatischen Nachfrageeinbruch in Europa. Unter Berücksichtigung vieler Faktoren war Bochum leider das Werk, das unterm Strich das unwirtschaftlichste war. Am Ende des Tages müssen wir überlegen, was für die Gesamtheit der Werke und der Belegschaft die beste Lösung ist. Zumal allein unsere Händler in NRW rund 5300 Beschäftigte ernähren.“
In der Bochumer Fertigung arbeiten rund 3000 Menschen. Wie viele müssen mit einer Kündigung rechnen?
Sedran: „Es ist unser Ziel, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Mit diesem Ziel werden wir in die Verhandlungen gehen. Wir werden den Mitarbeitern, denen wir keine entsprechenden Jobs etwa in anderen deutschen Werken anbieten können, attraktive Abfindungen anbieten, die noch zu verhandeln sind.“
Wie steht es um die anderen drei deutschen Werke?
Sedran: „In unseren Planungen haben wir genügend Arbeit für die restlichen Werke - vorbehaltlich der weiteren Verhandlungen zum Deutschland-Plan. Und ich möchte betonen, dass wir mit Rüsselsheim, Eisenach, Kaiserslautern und den verbleibenden Aktivitäten in Bochum auch nach 2016 einer der größten Arbeitgeber der Automobilindustrie in Deutschland sind.“
Gibt es noch Hoffnungen, dass die Autokonjunktur anspringt und die Bochum-Entscheidung rückgängig gemacht wird?
Sedran: „Wenn ich sehe, in welchem Zustand sich die Staatshaushalte in Ländern der Eurozone befinden und welche Belastung die Konsolidierung für die Bürger bedeutet, gehen wir nicht davon aus, dass sich schnell etwas ändert. Ich möchte daran erinnern, dass auch im Spitzenjahr 2007 Opel in Europa keine Vollauslastung hatte. Wir können weiter träumen, von tollen Märkten. Oder wir können der Realität ins Auge schauen. Wir als Vorstand haben erkannt: Wenn wir so weiter machen wie in den vergangenen zehn Jahren, wird es nicht besser. Wir haben nur eine bestimmte Anzahl von Fahrzeugen über alle Werke in Europa zu verteilen und wir müssen schauen, dass wir Geld verdienen. Unser klares Ziel ist es, zur Mitte der Dekade wieder profitabel zu sein. Und Gewinne sind die beste Zukunftssicherung.“