Spanien verneigt sich: „Bayern das neue Barça“

Madrid (dpa) - Zusammengekauert und mit traurig-hilflosem Blick musste Weltfußballer Lionel Messi das demütigende Ende der Ära seines FC Barcelona mitansehen. Demontiert und vorgeführt vom FC Bayern München.

Sicher auch, weil Messi nicht eine Minute spielte.

Kurz vor Beginn des Rückspiels hatte Trainer Tito Vilanova entschieden, auf den Argentinier zu verzichten. „Er ist nicht verletzt, er hatte aber das Gefühl, dass seine Verletzung neu aufbrechen könnte“, begründete er nachher seine Entscheidung. „Barça hisste vor dem Anpfiff der Partie die weiße Flagge“, titelte prompt die Zeitung „El País“.

Die Spieler suchten weder nach Ausflüchten noch nach Entschuldigungen, nachdem sie das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League mit 0:3 im heimischen Stadion Camp Nou verloren hatten. „Wir sind nicht mehr die Besten. Auch mit Messi wäre das Ergebnis kaum anders ausgefallen“, meinte Manndecker Gerard Piqué, der zum 0:2 ins eigene Tor getroffen hatte. Die, die sonst die Fußballwelt mit Bestmarken verzückten, sorgen diesmal für einen unrühmlichen Negativrekord: Nie zuvor in der Königsklasse war ein Team in der Vorschlussrunde mit einem Gesamtresultat von 0:7 ausgeschieden; das Hinspiel hatte Barça 0:4 - trotz Messi - vergeigt.

Das Land des Welt- und Europameisters beklagte aber nicht nur das Ende der Ära des „großen Barça“. So wie die Spieler der Katalanen verneigten sich alle gleichermaßen auch vor dem FC Bayern. „Die Münchner sind das, was bislang Barça war“, gestand die Zeitung „El Periódico“ ein. Das Sportblatt „Marca“ ergänzte: „Der FC Bayern entreißt dem FC Barcelona die Vorherrschaft in Europa. Barça, Real Madrid und der spanische Fußball insgesamt sind nun gezwungen, in den deutschen Spiegel zu schauen.“

Nach dem kläglichen Aus in der Champions League wurde in Barcelona zudem erstmals Kritik an Vilanova und dem Trainerstab laut. Den Barça-Verantwortlichen wurde eine unnötige Geheimniskrämerei um die Verletzung von Messi vorgehalten. Die Fans erfuhren erst auf dem Weg zum Stadion davon, dass der Superstar nicht spielen würde. Einige von ihnen fühlten sich übers Ohr gehauen und wären am liebsten umgekehrt. Bis dahin hatte es geheißen, Messi habe seine Verletzung völlig überwunden.

Noch schwerer wog der Vorwurf, die Barça-Chefs hätten die Saison schlecht geplant. Ausgerechnet in der entscheidenden Phase fehlten den Katalanen die Kraftreserven. „Die Bayern waren physisch auf einem hohen Niveau und wir nicht“, räumte Vilanova ein. „Unsere Mannschaft hat alles gegeben, um die Bayern zu schlagen, aber aus zahlreichen Gründen - ihre physische Kraft, ihr Stellungsspiel und andere Dinge - haben sie uns verdient besiegt“, meinte Andrés Iniesta. Den Mittelfeldstrategen holte Vilanova ebenso wie dessen kongenialen Kompagnon Xavi nach dem 1:0 durch Arjen Robben vom Platz. Da wussten auch die Letzten: Adios Champions League.

Der Spitzenreiter der Primera Division zahlte ebenso wie der bald entthronte Meister Real Madrid in der Champions League einen Tribut für das Privatduell ihrer Superstars Messi und Cristiano Ronaldo. Die Stars wollten immer in allen Spielen dabei sein, weil sie in einem erbitterten Wettstreit um die Krone des Torschützenkönigs und um den Titel des Weltfußballers standen. „Ihnen hätte die eine oder andere Pause gut getan“, meint das Sportblatt „As“.

In beiden spanischen Spitzenclubs ist der Ruf nach einem Neubeginn laut geworden. Bei Real gilt ein Weggang von Trainer José Mourinho nach dem Champions-League-Aus gegen Borussia Dortmund als wahrscheinlich. Als Favorit für die Nachfolge wird Carlo Ancelotti (Paris Saint-Germain) gehandelt.

In Barcelona forderte Piqué: „Nun müssen Entscheidungen getroffen werden.“ Auch die Presse in der katalanischen Metropole verlangte einhellig einen Umbruch. Vilanova will davon aber nichts wissen. „Die Mannschaft ist stark genug“, meinte der Coach. „Wir brauchen nicht viele neue Spieler. Wir müssen nur zusehen, dass die wieder fit werden, die wir schon haben.“