SPD erzürnt über Merkel-Aussagen im TV: „Sauerei“
Berlin (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der SPD europapolitisch „totale Unzuverlässigkeit“ vorgeworfen und damit bei den Sozialdemokraten für Empörung gesorgt.
Die in einem ARD-Porträt gemachte Aussage sei „weit mehr als eine Verirrung in diesem Wahlkampf“, sagte Kanzlerkandidat Peer Steinbrück am Dienstag im Bundestag. „Sie müssen wissen, dass Sie damit Brücken zerstören“, rief Steinbrück direkt zu Merkel gewandt. Er erinnerte daran, dass die SPD bisher Euro-Rettungsmaßnahmen der Regierung mitgetragen habe.
Wörtlich sagt Merkel laut einer Mitschrift in der ARD-Sendung: „In der Frage der Euro-Krise ist die Sozialdemokratie total unzuverlässig. Da ist von Eurobonds, Schuldentilgungsfonds, gemeinsamer Haftung bis hin auch zum Gegenteil alles gesagt worden.“ Die Mitschrift der Aussagen liegt der Deutschen Presse-Agentur dpa vor. Nach Angaben des Filmemachers Stephan Lamby wurde das Interview am 26. August geführt - Steinbrück wurde damit konfrontiert.
Am Dienstagabend ließ Merkel mitteilen, sie habe den Vorwurf nicht auf das Abstimmungsverhalten der SPD bei wichtigen Entscheidungen zur Bewältigung der Euro-Krise bezogen, sondern auf die gegensätzlichen Auffassungen von Bundesregierung und SPD über Eurobonds, Schuldentilgungsfonds und gemeinschaftliche Haftung in der Euro-Zone.
Das Doppelporträt von Lamby mit dem Titel „Das Duell Merkel gegen Steinbrück“ soll am 16. September um 22.45 Uhr gesendet werden. Eventuelle Gespräche über eine mögliche große Koalition nach der Bundestagswahl am 22. September könnten dadurch belastet werden. Schon im TV-Duell hatte Steinbrück Merkel die Aussage vorgehalten.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach in der letzten Bundestagsdebatte vor der Wahl von einer „Sauerei“. Ohne die SPD hätte Merkel bei der Abstimmung über den Fiskalpakt gesessen „wie das Kind beim Dreck“, sagte er. „Statt dankbar zu sein, dass Ihnen das Schicksal erspart geblieben ist, schmeißen Sie mit Dreck nach denen, die zu Europa gestanden haben, als Ihre Leute schon fluchtartig den Platz verlassen haben“, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende.
Steinbrück betonte, Merkel könne damit Gemeinsamkeiten für die Zukunft unmöglich machen, wo wir „vielleicht auf diese Gemeinsamkeiten angewiesen sind“. „Das werden wir uns mal merken“, sagte der frühere Finanzminister. Er unterstrich mit Blick auf die Abweichler von Union und FDP bei Euro-Abstimmungen „in manchen Fällen mussten wir Ihnen erst die Kanzlermehrheit besorgen.“ Ohne die SPD hätte der Rettungsschirm ESM keine Mehrheit bekommen. „Die SPD hat keine Obstruktionspolitik in Sachen Europa aus der Opposition heraus betrieben“, rief ein sichtlich verärgerter Steinbrück. „Wir haben unsere Verantwortung wahrgenommen“. Merkel führe hingegen die Menschen bei den Kosten des Krisenmanagements „hinter die Fichte“.
Die SPD ist sehr sensibel bei solchen Vorwürfen, sie sieht sich traditionell als Europapartei. Schon im Heidelberger Programm von 1925 forderte sie als Lehre aus dem Ersten Weltkrieg die Gründung von „Vereinigten Staaten von Europa“. Die Partei trägt die Rettungsmaßnahmen mit, kritisiert aber bei der Bewältigung der Schuldenkrise eine zu einseitige Sparpolitik.