Stolz und Propaganda: Pekings schwieriges Erbe
Peking (dpa) - Die chinesische Propaganda schlachtet noch heute die Olympischen Spiele von 2008 in Peking aus.
Als „Fortsetzung des Olympischen Geistes“ von damals schreibt der kommunistische Parteichef der Hauptstadt in diesen Tagen den „Pekinger Geist“ auf die roten Fahnen: „Patriotismus, Innovation, Einbeziehung aller Schichten und Tugendhaftigkeit“. Diese „sozialistischen Kernwerte“ sind überall auf Bannern und Plakaten in der Metropole zu finden und sollen das Volk hinter die Kommunistische Partei scharen.
Vier Jahre nach Olympia in Peking hinterlassen die Spiele ein schwieriges Erbe. So hat sich das Spektakel für die 20-Jährige Studentin Li Can nicht gelohnt. „Es ging um unser nationales Ansehen in der Welt.“ Die Regierung habe wohl geglaubt, die Milliarden für die Spiele zahlten sich aus. „Aber ich finde, das Geld hätte für andere, nützlichere Dinge ausgegeben werden sollen - zum Beispiel für den Bau von Schulen“, sagt die Studentin aus der armen Provinz Henan an einem sonnigen Tag beim Besuch im „Vogelnest“, dem Olympiastadion.
Das „Vogelnest“ und die „Wasserwürfel“ genannte Schwimmhalle sind der auffälligste Olympia-Nachlass. Das Schwimmstadion wurde endlich zum Spaßbad umgebaut, aber das große Stadion wird kaum genutzt. Erst wollte der Pekinger Fußballclub Guo'an ins „Vogelnest“ einziehen. Da die von Korruptionsvorwürfen geplagten Kicker bei Heimspielen aber gerade noch 10 000 Zuschauer anziehen, wollten sie ungerne regelmäßig vor leeren Rängen im 90 000 fassenden Stadion spielen.
Das Stadion bleibt somit eine architektonische Sehenswürdigkeit, die täglich 20 00 bis 30 000 Touristen anzieht, die jeweils 50 Yuan (sechs Euro) Eintritt bezahlen. „Es ist heute nutzlos“, sagt Liu Yude, ein 54-jähriger Unternehmer. Doch ein anderer Besucher, der 33-jährige Han Zengguang, findet die hohen Ausgaben für das „Vogelnest“ und den „Wasserwürfel“ gerechtfertigt. Es seien „historische Meilensteine“ - genau wie die Große Mauer oder die Verbotene Stadt. „Das ist das Erbe.“
Aber auch politisch sieht der Nachlass der Spiele getrübt aus. Nie zuvor hatte China derart im internationalen Rampenlicht gestanden wie 2008. Die Niederschlagung der damaligen Volksaufstände der Tibeter lösten Empörung aus. Wegen Protesten verkam der Fackellauf um die Welt zum „Spießroutenlauf“. Hinzu kamen Kritik wegen Festnahmen von Bürgerrechtlern, Zensur, Zwangsvertreibungen und andere Menschenrechtsverstöße. Was China damals durch die Spiele an „Softpower“, sportlichem Ansehen und Verständnis für seinen Aufstieg gewann, wurde durch negative Schlagzeilen wieder zunichtegemacht.
Der massiv aufgepäppelte Sicherheitsapparat entwickelte seither ein Eigenleben und schlug 2011 wieder zu, als „Jasmin-Proteste“ nach arabischem Vorbild in China befürchtet wurden. Hatte der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Jacques Rogge, einst vollmundig „positive, anhaltende Auswirkungen auf die chinesische Gesellschaft“ versprochen, sehen Menschenrechtsgruppen eher eine Verschlechterung und sprechen heute von einem „hässlichen Erbe“.
Die Sportler aus aller Welt erlebten 2008 in Peking zweifellos sehr gut organisierte Spiele, wie sie wohl nur ein diktatorisches Regime aufziehen kann. Anders als heute in London spielte Geld keine Rolle. Die Ausgaben erreichten olympische Rekorde. Die Kosten der sportlichen Aktivitäten werden auf knapp drei Milliarden US-Dollar geschätzt, während die Infrastrukturmaßnahmen rund 40 Milliarden US-Dollar gekostet haben sollen.
Olympia kurbelte auch den Nationalstolz der Chinesen an. Die 36-jährige Jiang Feng findet im Olympia-Park, die Investitionen hätten sich gelohnt. „China ist heute reich.“ Für einfache Bürger sei es natürlich viel Geld gewesen. „Aber ich finde, für ein wohlhabendes Land geht das schon in Ordnung“, sagt die Funktionärin. „Ich kann hier den olympischen Geist und den Wohlstand unseres Landes fühlen.“