Streit über Zahl der Neonazi-Todesopfer
Berlin (dpa) - Regierung und Opposition streiten über die statistische Erfassung von Todesopfern rechtsextremer Gewalt.
Die Linke-Innenexpertin Petra Pau sprach am Donnerstag im Bundestag von einer „gravierenden Differenz“ zwischen den offiziellen Zahlen der Bundesregierung und den Zahlen, die nach Recherchen von Journalisten veröffentlicht wurden. Die Bundesregierung wies den indirekten Vorwurf zurück, Zahlen kleinrechnen und verschleiern zu wollen.
Pau sagte, nach Recherchen von Journalisten gebe es seit 1990 insgesamt 138 Todesopfer. Mit den aktuell bekanntgewordenen zehn Morden, die der Zwickauer Neonazi-Zelle vorgeworfen werden, komme man auf 148 Opfer. Die Bundesregierung gehe aber von 48 Todesopfern aus. „Wir haben offenbar eine gravierende Fehlstelle in der offiziellen Wahrnehmung rechtsextremer Gewalt“, sagte Pau. Wenn aber die Analyse falsch sei, dann sei auch alles falsch, was darauf fuße. Die Linke fordere eine parteipolitisch unabhängige Beobachtungsstelle für die Bereiche Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus.
Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) sagte, die offiziellen Stellen hätten bis zum 31. Januar 2011 47 Todesopfer gezählt. Die Kriterien für die Erfassung seien 2001 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung mit den Ländern vereinbart worden. Ausschlaggebend ist demnach das Tatmotiv eines Täters - und nicht etwa, ob ein Täter als Rechtsextremist bekannt ist. „Unabhängig von der Statistik ... ist jedes Opfer rechtsextremer Gewalt eines zu viel“, sagte Schröder.
Der FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff warf der Linken vor, unseriös mit Zahlen umzugehen. „Nur so kommt Sie auf eine Opferzahl von über 100 Extremismus-Opfern in den vergangenen zwei Jahrzehnten.“ Die Regierung zähle hingegen die Taten als rechtsextrem, die auch von den Gerichten als solche verurteilt worden seien. „Die Linken wollen stattdessen ein Gesinnungs-Denunziantentum, das die linke Szene anhand der rechtsextremen Straftaten hoffähig machen soll.“
Die Grünen-Politikerin Monika Lazar wies Wolffs Äußerungen als „unverantwortlich“ zurück: „Sie lenken von dem Problem ab und Sie verhöhnen die Opfer“, sagte sie. „Rechtspopulisten verschärfen das Problem. Und ihre Rede war ganz klar in diese Richtung gehend.“