Terror in Europa: Festnahmen und Tote nach Zugriff bei Paris
Saint-Denis (dpa) - Die französische Polizei hat wenige Tage nach der verheerenden Terrorserie in Paris womöglich einen weiteren Anschlag verhindert. Bei einem dramatischen, von heftigen Schusswechseln begleiteten Anti-Terror-Einsatz nahe Paris nahmen Spezialkräfte acht Verdächtige fest.
Mindestens zwei weitere Terrorverdächtige kamen ums Leben, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Unklar blieb zunächst, ob der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge vom Freitag, Abdelhamid Abaaoud, unter den Getöteten ist. Staatsanwalt François Molins sagte, Abaaoud sei nicht unter den Festgenommenen. Die Identität der stark verstümmelten Toten sei noch nicht geklärt.
Als Spezialkräfte eine Wohnung in Saint-Denis nördlich der Hauptstadt stürmten, sprengte sich eine Frau in die Luft. Ein Mann wurde von Schüssen und Granaten tödlich verletzt. Die Gruppe in der Wohnung sei bereit gewesen zuzuschlagen, sagte Molins. Die Polizei habe bei der Erstürmung 5000 Schüsse abgegeben. Mehrere Straßenzüge waren abgesperrt, bis zu 20 000 Menschen saßen in ihren Wohnungen fest.
Die französische Polizei hatte aus abgehörten Telefonaten Hinweise erhalten, dass sich Abaaoud in der Wohnung in Saint-Denis aufhalten könnte. Der meistgesuchte Islamist Belgiens, der für den IS in Syrien gekämpft haben soll, hat marokkanische Wurzeln. Er lebte früher in der Brüsseler Islamistenhochburg Molenbeek.
Seit der Mordserie am vergangenen Freitag kam es in Frankreich zu 414 Hausdurchsuchungen, wie Innenminister Bernard Cazeneuve mitteilte. 64 Personen wurden vorläufig festgenommen, 60 kamen in Polizeigewahrsam. 118 Menschen wurden unter Hausarrest gestellt.
Bei dem Zugriff in Saint-Denis wurden fünf Mitglieder einer Spezialeinheit leicht verletzt. Die Aktion dauerte rund sieben Stunden. Zwischenzeitlich waren Explosionen zu hören.
Die Polizei fahndet auch noch nach dem 26-jährigen Franzosen Salah Abdeslam, den die französischen Ermittler für einen der Attentäter halten. Außerdem könnte nach Informationen aus Ermittlerkreisen möglicherweise noch ein weiterer Terrorist entkommen sein.
Wie erst jetzt bekanntwurde, hatte die ungarische Polizei am vergangenen Samstag den britischen Islamisten und Hassprediger Abu Izzadeen in einem Schnellzug auf dem Weg nach Rumänien festgenommen. Der 40-Jährige und ein weiterer 44-jähriger britischer Islamist waren aufgefallen, weil sie keine gültigen Reisedokumente vorweisen konnten, berichtete das Portal blikk.hu. Sie hatten in Großbritannien Haftstrafen wegen Terrorunterstützung verbüßt und waren unter der Auflage entlassen worden, das Land nicht zu verlassen.
Auch in Syrien geht Frankreich massiv gegen die IS-Terrormiliz vor, die sich in einer nicht verifizierten Mitteilung zu der Blutbad vom Freitag bekannt hatte. Bei Luftangriffen französischer Jets und Flugzeugen anderer Nationen auf die nordsyrische IS-Hochburg Al-Rakka wurden in den vergangenen drei Tagen mindestens 33 Extremisten getötet. Zudem gebe es Informationen über weitere Opfer, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Familien hochrangiger IS-Anführer seien wegen der Angriffe aus Al-Rakka gebracht worden.
In Zusammenarbeit mit den USA wolle die Türkei nun auch die rund 100 verbleibenden Kilometer der Grenze zum Nachbarland Syrien schließen, sagte US-Außenminister John Kerry dem Fernsehsender CNN. Es geht um einen Abschnitt, der auf syrischer Seite unter IS-Kontrolle steht.
Zwei Flugzeuge der französischen Fluggesellschaft Air France wurden nach anonymen Drohungen umgeleitet. Eine Maschine sei in Los Angeles gestartet und auf dem Weg nach Paris auf einen Flughafen in Salt Lake City gelotst worden, teilte der Flughafen mit. Eine zweite Maschine mit 298 Menschen an Bord war von Washington nach Paris aufgebrochen, musste aber im kanadischen Halifax wieder landen. Es handelte sich in beiden Fällen um einen Fehlalarm.
Die IS-Terrormiliz will den russischen Passagierjet über dem Sinai mit einer Bombe zum Absturz gebracht haben, die in einer Getränkedose versteckt war. In der aktuellen Ausgabe des IS-Internetmagazins „Dabiq“ zeigen die Extremisten ein Bild des angeblichen Sprengsatzes.
Auch die schwedische Sicherheitspolizei sieht eine erhöhte Terrorbedrohung für das eigene Land. Sie hob die Warnstufe von „erhöhte Bedrohung“ (3) auf „hohe Bedrohung“ (4) an. Es ist die zweithöchste Gefahrenstufe auf der Skala.