Tiefpunkt, Terror und kein Titel: Extremes Jahr für Frankreich
Saint-Denis (dpa) - Tiefpunkt in Albanien. Erpressungsskandal um Karim Benzema. Terror von Paris. Angeblicher Dopingfall. Viele Verletzte. Dann das Finale der Heim-EM erreicht. Das Ziel der Träume ist so nah.
Frankreichs Fußball-Nationalmannschaft hat 13 Monate der Extreme hinter sich. Ein Überblick:
13. Juni 2015, Elbasan, Albanien: Frankreich verliert 0:1 in Albanien. „Wir waren nicht hungrig genug. Das ist nicht akzeptabel“, wütet Trainer Didier Deschamps. Einer scheint sich aus dem Team der Enttäuschenden komplett rausgespielt zu haben: Dimitri Payet.
Ende Juli 2015: Die französische Justiz nimmt Ermittlungen wegen einer mutmaßlichen Erpressung von Nationalspieler Mathieu Valbuena auf. Komplize der Erpresser soll Auswahlkollege Karim Benzema sein. Beides Stammspieler der Équipe tricolore.
11. November 2015: Ein Radiosender berichtet, Benzema sei zur Vernehmung in einer Affäre um Erpressung mit einem Sex-Video in Polizeigewahrsam genommen worden. Valbuena hatte Anzeige erstattet. Er sollte demnach 150 000 Euro zahlen, damit ein Sexvideo nicht in die Öffentlichkeit gelangt.
13. November 2015: Der Terror in Paris und vor dem Stadion in Saint-Denis, in dem Frankreich eigentlichen einen EM-Härtetest gegen Weltmeister Deutschland absolvieren wollte, erschüttert das Land. Die Schwester von EM-Torschützenkönig Antoine Griezmann überlebt die Attacken im Musikclub Bataclan. Eine Cousine von Lassana Diarra stirbt bei einer der Schießereien. Fußball ist nicht mal mehr eine Nebensache, die EM auch für die Spieler in ganz weite Ferne gerückt.
17. November 2015: Im Londoner Wembley-Stadion stimmen auch die englischen Fans die Marseillaise an. Tief ergreifende Momente und Bilder. Ein Signal der Solidarität. „Wir danken den Engländern für diese Unterstützung“, sagt Kapitän Hugo Lloris. Das 0:2 bleibt die bis dato letzte Niederlage der französischen Mannschaft.
1. Dezember 2015: Frankreichs Premierminister Manuel Valls plädiert für einen Ausschluss von Benzema aus der Nationalmannschaft: „Ein großer Sportler muss Vorbild sein“, andernfalls sei für ihn „kein Platz im Nationalteam“.
17. März: Mamadou Sakho wird nach dem Europa-League-Spiel bei Manchester United positiv getestet. Der 26-Jährige soll einen illegalen Fatburner eingenommen haben - das Verfahren wird am 8. Juli, zwei Tage vor dem EM-Endspiel eingestellt.
25. März 2016: Frankreich startet mit einem 3:2 in Amsterdam gegen die Niederlande ins EM-Jahr. Der Trend zum späten Sieg zeichnet sich ab: Blaise Matuidi trifft in der 88. Minute.
29. März 2016: Erstmals spielt die Mannschaft seit den Anschlägen wieder im Stade de France. „Bevor wir Sportler sind, sind wir menschliche Wesen. Das wird uns berühren, zurückzukehren“, sagte Deschamps vor dem Match. „Niemand wird vergessen können, was passiert ist, aber wir dürfen nicht mit Furcht und Angst dorthin gehen.“ Frankreich schlägt Russland überzeugend mit 4:2.
13. April 2016: Ausschluss für Benzema aus der Nationalmannschaft und damit auch von der EM. Verbandschef Noël Le Graët und Deschamps treffen die Entscheidung. „Unseligerweise für mich und für alle, die mich immer verteidigt und unterstützt haben: Ich werde nicht für unsere Euro in Frankreich nominiert werden“, kommentiert Benzema.
12. Mai 2016: Deschamps gibt seinen EM-Kader bekannt. „Einen Kader zu benennen heißt nicht, einfach die Besten zu nehmen, sondern eine Gruppe auszuwählen, die möglichst weit kommt“, sagt Deschamps.
24. Mai 2016: EM-Aus für Vize-Kapitän und Abwehrchef Raphaël Varane von Real Madrid. Muskelriss zweiten Grades im linken Oberschenkel. Adil Rami vom FC Sevilla rückt nach.
28. Mai 2016 : EM-Aus für den nächsten Verteidiger: Jérémy Mathieu vom FC Barcelona muss passen. Der 32-Jährige wird nicht mehr rechtzeitig fit nach einer Verletzung. Samuel Umtiti von Olympique Lyon kommt in den 23-Mann-Kader für das Turnier.
30. Mai 2016: 3:2 gegen Kamerun, wieder Gegentore. Das macht Deschamps aber keine so große Sorge. „Um ein Turnier zu gewinnen, ist die Defensive wichtig, aber essenziell ist es, ein Tor mehr zu erzielen als der Gegner“. Bedenklicher: Nicht mal zwei Wochen vor dem Eröffnugnsspiel pfeifen die Zuschauer in Nantes in Olivier Giroud einen Spieler der Franzosen aus. Er ist sich sicher: Er muss für die Ausbootung Benzemas zahlen.
10. Juni 2016: Eröffnungsspiel. 2:1 gegen Rumänien. Last-Minute-Sieg.
15. Juni 2016: 2:0 gegen Albanien. Wieder zittern, wieder Tore in den Schlussminuten.
19. Juni 2016: Nullnummer gegen die Schweiz, reicht für den ersten Gruppenplatz.
26. Juni 2016: Rückstand im Achtelfinale gegen Irland nach zwei Minuten. Doppelpack von Griezmann nach der Pause: 2:1-Sieg.
3. Juli 2016: Frankreich beendet das isländische Fußball-Märchen und schießt sich mit einem diesmal überzeugenden 5:2 in Halbfinale gegen Weltmeister Deutschland.
7. Juli 2016: Die große Griezmann-Gala. Wieder zwei Tore. 2:0-Sieg. Deutschland-Fluch beendet. Finale.
10. Juli 2016: Das ist der schwerste Gang seit langem. Sie bekommen die Medaille für den zweiten Platz. Ein Tor von Eder zerstört den Titeltraum. 0:1. Obwohl Cristiano Ronaldo ab der 25. Minute nicht mehr mitspielen kann. „Es gibt keine Worte, um das Gefühl zu beschreiben“, sagt Deschamps.