Traurige Nebenrollen im Finale: Erst Khedira, dann Kramer

Rio de Janeiro (dpa) - So plötzlich Christoph Kramer anstelle von Sami Khedria zu seinem WM-Finale kam, so schnell war es für den Turnierdebütanten auch wieder vorbei. Erst kurz vor dem Anpfiff hatte Bundestrainer Joachim Löw dem 23-Jährigen das „Go“ anstelle der angeschlagenen Führungskraft Khedira erteilt.

Traurige Nebenrollen im Finale: Erst Khedira, dann Kramer
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Nach einer halben Stunde musste dann auch Kramer mit Verdacht auf Gehirnerschütterung vom Platz. Benommen taumelte der Mönchengladbacher, gestützt von Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt und Physio Klaus Eder, in die Katakomben des Fußball-Tempels Maracanã. Was wie ein WM-Märchen begonnen hatte, endete bitter. Und vor allem schmerzhaft.

Khedira, der wegen Wadenproblemen in Rio de Janeiro im Endspiel gegen Argentinien passen musste, blickte schon nach einer Viertelstunde bangend zum Teamkollegen. Abwehrspieler Ezequiel Garay war in Kramer reingerauscht, nach dem Zusammenprall blieb der fünfmalige Nationalspieler erst einmal k.o. auf dem Rasen liegen. Nach einer kurzen Behandlung probierte es Kramer zwar noch einmal. Er rannte, kämpfte, mühte sich. Aber letztlich musste er aufgeben.

Und das nach diesem rasanten WM-Aufstieg. Erst nachträglich hatte es Kramer in den WM-Kader geschafft. Nach dem wenig aussagekräftigen Debüt im Länderspiel gegen Polen am 13. Mai durfte er zunächst mit nach Südtirol - und dann sogar zum Weltmeisterschafts-Spektakel. Den Aufstieg fand er selbst „filmreif“, denn vor gut einem Jahr kickte er noch in der 2. Liga beim VfL Bochum.

Einwechslungen im WM-Test gegen Kamerun sowie den WM-Duellen gegen Algerien und Frankreich folgte für Kramer nun die Beförderung in die Startformation. Locker hatte er noch vor dem Aufwärmen den Ball auf dem Zeigefinger balanciert, der Adrenalinstoß kurz vor dem Anpfiff ließ die Coolness aber erst einmal verfliegen.

Kramer hatte Schwierigkeiten, die Khedira-Rolle auszufüllen. Eins zu Eins sollte der Rookie den Champions-League-Sieger ersetzen. Als er gerade mehr und mehr ins Spiel fand, gab es den folgenschweren Zweikampf mit Garay.

Khedira litt im braunen Ersatzspieler-Leibchen an der Seitenlinie mit, war hilflos und betroffen. Auch wegen seines persönlichen Pechs. Sechs Monate lang hatte er nach seinem Kreuzbandriss für den großen WM-Traum geschuftet, sich von Spiel zu Spiel gesteigert. Ausgerechnet vor dem wichtigsten Spiel seiner Karriere wurde er wieder in die Zuschauerrolle verdammt.

Die physische Präsenz des Profis von Real Madrid, die dieser vor allem beim 7:1 im Halbfinale gegen Brasilien eindrucksvoll demonstriert hatte, fehlte dem deutschen Team. Die Automatismen liefen ohne den 51-maligen Nationalspieler nicht wie gegen die Seleção, auch wenn Kramer gegen die ausgebufften „Gauchos“ unerschrocken zu Werke ging. Bis plötzlich alles wieder vorbei war - und André Schürrle (32.) als nächste Ersatzlösung kam.