Noch nicht gefasst Tret-Attacke in U-Bahnhof: Haupttäter identifiziert
Berlin (dpa) - Nach dem brutalen Fußtritt gegen eine 26-Jährige in einem Berliner U-Bahnhof haben Polizei und Staatsanwaltschaft den Hauptverdächtigen identifiziert.
Der nun namentlich bekannte Mann sei aber noch auf der Flucht, sagte der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, Martin Steltner. Zu Vermutungen, nach denen sich der Verdächtige ins Ausland abgesetzt haben soll, sagte Steltner: „Wir werden dem nachgehen“. Der Angreifer soll aus Bulgarien stammen.
Die Frau war durch den plötzlichen Fußtritt in ihren Rücken eine Treppe im U-Bahnhof Hermannstraße in Berlin-Neukölln hinuntergestürzt. Zu dem Angriff kam es bereits am 27. Oktober, er wurde aber erst in der vergangenen Woche bekannt.
Die Frau hatte sich bei dem heftigen Sturz auf das Gesicht und den Oberkörper einen Arm gebrochen. Steltner hatte über den Tritt und seine Folgen gesagt: „Das ist ein hochgefährliches, lebensbedrohliches Verhalten. Das hätte auch ganz anders ausgehen können.“ Der Fall hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst.
Auf einem Film vom Tatort, den die Polizei gezeigt hatte, waren vier junge Männer zu sehen. Die am Donnerstag vergangener Woche veröffentlichten Bilder aus einer Überwachungskamera löschte die Polizei am Mittwoch von ihrer Internetseite. Zur Begründung hieß es, mit der Identifizierung des Verdächtigen sei die Öffentlichkeitsfahndung beendet. Von da an dürfen die Bilder nicht mehr gezeigt werden.
Am Montag war bereits einer der Männer vom Tatort identifiziert und vorübergehend festgenommen worden. Er hatte laut Staatsanwaltschaft ausgesagt und zugegeben, dass er dabei war. Eine Beteiligung an einer gefährlichen Körperverletzung habe ihm aber nicht nachgewiesen werden können. Der Mann wurde am Dienstag wieder entlassen. Gegen ihn werde aber weiter ermittelt. In Frage komme etwa unterlassene Hilfeleistung.
Das Video der Tat war im Internet binnen weniger Tage tausendfach angeklickt und geteilt worden. Der Kommunikationswissenschaftler Martin Emmer von der Freien Universität Berlin erklärte das Phänomen so: „Dieses Gefühl "Das hätte ja ich sein können" macht betroffen und fasziniert zugleich. Es spielt aber sicher auch eine Rolle, dass am Ende ja zum Glück nichts so Dramatisches passiert ist.“
Die Frau habe sich verletzt, sei aber nicht tot oder verstümmelt bis ans Ende ihres Lebens. „Wenn das geschehen wäre, gibt es Schranken. Da wendet man sich eher ab“, so Emmer. Das Video sei für Nutzer attraktiv - obwohl es eine schlimme Szene zeigt. In diese Situation könne im Alltag jeder geraten.
Dass sich Prominente in den Fall eingeschaltet haben, ist aus Sicht des Wissenschaftlers interessant. Bei den Bildern sei es kein Risiko zu sagen: „Findet die Täter!“ Hinzu komme vielleicht auch ein Stück Selbstvermarktungsstrategie - dass man der Gute sein will. Wenn Privatleute dann noch „Kopfgelder“ aussetzen, sei das für ihn eine extreme Form solcher Selbstinszenierung.
Der Schauspieler Jan Josef Liefers, bekannt als „Tatort“-Rechtsmediziner Professor Boerne, hatte auf Facebook gepostet: „Berlinerinnen, Berliner! Erkennt jemand diese feigen Idioten?“. Auch seine Frau, die Sängerin und Schauspielerin Anna Loos, hatte zur Mithilfe aufgerufen. Der Inhaber einer Berliner Wachfirma, Michael Mike Kuhr, hatte sich auf Facebook zu Wort gemeldet und 2000 Euro für Namen und Adresse des Täters ausgesetzt.