„Bad, very bad“ Trump gegen alle anderen
Taormina (dpa) - Für einen kurzen Moment sieht es so aus, als wäre nichts gewesen. Angela Merkel sitzt beim G7-Gipfel neben Donald Trump, die Kanzlerin hält sich die Hand vor den Mund und flüstert dem US-Präsidenten etwas zu.
Sie lacht, er setzt ein Grinsen auf. Er wirkt verlegen, ein wenig angespannt. Keine 24 Stunden ist es her, dass aus seinem Gespräch von Trump mit der EU-Spitze für Deutschland unangenehme Details in die Öffentlichkeit geraten sind, die erst einmal wieder für Irritationen sorgten.
Wer weiß, was diesmal passiert. Diesmal auf Sizilien, im schönen Taormina, direkt am Meer. Es ist vielleicht das Beunruhigendste im deutsch-amerikanischen Verhältnis, seitdem Barack Obama im Januar die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger übergeben hat: Die Unsicherheit, die Ungewissheit. Trumps Unberechenbarkeit ist die vielleicht stärkste Konstante in seiner Politik.
Trump soll sich in dem Gespräch mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk über den deutschen Handelsüberschuss beklagt haben. Nichts Neues. Aber es zeugt von wenig diplomatischem Geschick, dass sich der US-Präsident bei den Brüsselern über die Deutschen beschwert, wo er doch mit Merkel direkt darüber sprechen könnte. Und: Er hat „schlecht, sehr schlecht“ gesagt, wie Juncker bestätigte.
Alles schlecht an Deutschland? Das will Trump nicht gesagt haben, im Gegenteil, er habe großen Respekt vor Deutschland - sagt sein Sprecher Sean Spicer. Aber das Ungleichgewicht im deutsch-amerikanischen Handel finde er nun mal unfair. „Bad, very bad“, wie Juncker Trump zitiert.
Merkel weist die Kritik zurück. Sie redet am Rande des Gipfels mit Trump. Es sei ja bekannt, dass die Deutschen mehr in die USA liefern als sie von Amerikanern kaufen, sagt sie danach. Sie verweist auf die hohen Direktinvestitionen (etwa von BMW und Siemens) in den USA und die vielen Arbeitsplätze für Amerika, die dadurch geschaffen würden. „Und nach meiner Meinung muss man diese Dinge auch zusammen sehen.“
Sie setzt auf Wettbewerb, dass andere Ländern ihre Produkte attraktiver machen, und möchte nun wirklich nicht deutsche Autobauer bitten, schlechtere Schlitten zu fertigen, damit Amerikaner sie nicht mehr kaufen. Aber Trump ist nicht der einzige, der den deutschen Exportüberschuss beklagt. Der neue französische Präsident Emmanuel Macron tut das auch. Nur er drohte nicht mit Importzöllen und ist weiter auf einen freien Handel statt Abschottung aus.
Trump will aber „America first“. Nach dem Nato-Gipfel, wo er eine als Grußwort geplante Rede zu einem Denkmal für die Attacke auf das World Trade Center für eine Standpauke nutzte, geht auf EU-Ebene jedoch diese Bemerkung der Isolierung um: „America alone“. Trumps Konfrontationskurs gegen Nato-Partner führt zu einer weiteren Verhärtung des Verhältnisses der westlichen Gemeinschaft.
Russland reibt sich die Hände. Trump verscherzt es sich mit Partnern, die seit Jahrzehnte an der Seite der USA stehen - und umgekehrt. Gleichzeitig macht er Deals mit Staaten, in die die westliche Welt weniger Vertrauen hat. Saudi-Arabien zum Beispiel. Mit den Saudis tanzte er. Misstöne gab es nicht.
Die G7-Partner USA, Kanada, Japan, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien werden es schwer haben bis diesen Samstag eine einheitliche Linie zu finden. Handel, Klima und Migration sind die Streitthemen. Es war am Freitag sogar unsicher, ob im Abschlussdokument ein klares Ja zum freien Handel und ein klares Nein zum Protektionismus von Trump blockiert wird. Damit würde die Gruppe der großen Industriestaaten hinter bisherige Errungenschaften zurückfallen - die auch schon oft als klein empfunden wurden.
Am Freitagabend verabschiedeten sie immerhin eine gemeinsame Erklärung gegen den Terrorismus - als Antwort auf den Anschlag in Manchester. Es ist ein Thema, bei dem Trump mehr Engagement sehen will. Wie ein roter Faden zieht sich diese Forderung durch seine erste Auslandsreise. Damit kann er vor seiner Anhängerschaft in der Heimat punkten.
Die größte Unsicherheit besteht aber in der Frage, wie Trump sich beim Klimaschutz verhalten wird. Er wettert gegen das historische Abkommen von Paris, das alle Nationen unterschrieben haben, um die Welt zu retten. Normalerweise würde ein G7-Gipfel den Vertrag bekräftigen. Aber mit Trump ist das auf Sizilien nicht möglich. Die anderen sechs Partner appellieren noch einmal eindringlich an ihn, einzulenken. Merkel spricht von einem „ehrlichen“, „kontroversen, aber produktiven“ Austausch. In fünf Wochen treffen sich die G7 beim G20-Gipfel in Hamburg wieder. Da will Merkel Ergebnisse präsentieren.
Zu Obamas Zeiten hatte Merkel immer mit Sorge gesehen, dass sich die USA stark auf China konzentrieren. Sie fürchtete, dass Europa das Nachsehen haben könnte. Nun treibt sie um, dass China in die Lücke stoßen wird, die die USA mit einer Abschottungs- und Alleingangspolitik reißen könnten. China als Weltführer? Ein Staat, der wenig mit westlichen Werten zu tun hat. Auch hier könnte Europa das Nachsehen haben, warnen Diplomaten.
Der Auftritt von Obama mit Merkel am Donnerstag beim Evangelischen Kirchentag in Berlin erinnert da an bessere Zeiten. Ihr Verhältnis war am Anfang auch nicht leicht. Aber sie hatten eine intellektuelle Ebene der Verständigung. Über die Jahre wurde daraus eine politische Freundschaft. Viele der 80 000 Menschen am Brandenburger Tor jubelten Obama zu. In Hamburg werden Menschen gegen Trump protestieren. „Bad, very bad“ für das deutsch-amerikanische Verhältnis.