TV-Dreikampf am Montagabend: Zahlenschlacht im Kraftwerk
Berlin (dpa) - Millionen Deutsche wissen noch nicht, wen sie am 22. September wählen sollen. Zweifelhaft ist, ob der TV-Dreikampf am Montagabend ihnen bei dieser Entscheidung weitergeholfen hat.
Die Spitzenkandidaten Rainer Brüderle (FDP), Jürgen Trittin (Grüne) und Gregor Gysi (Linke) lieferten sich zwar einen streckenweise turbulenten Kampf.
Sie spulten dabei in einem alten Berliner Kraftwerk aber ihre oft gehörten Argumente ab und bombardierten die Zuschauer der ARD-Sendung mit einer Flut an Zahlen.
Moderator Jörg Schönenborn wurde es bald mulmig: „Eine Zahlenschlacht macht Spaß, aber man kann sich leicht verletzen“, ermahnte er die Politiker. Die übernahmen mehr und mehr selbst die Regie bei der 60-Minuten-Polit-Show, die auf feste Redezeiten und ein strenges Fragekorsett wie beim TV-Duell zwischen Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück verzichtete.
Bei Mindestlohn, Rente und Griechenland kamen die drei Kandidaten erwartungsgemäß auf keinen gemeinsamen Nenner. Richtig zur Sache ging es dann bei den Steuern. Trittin referierte, die Grünen wollten doch nach der Wahl nur die Topverdiener zur Kasse bitten - 90 Prozent der Deutschen würden entlastet.
Das war für FDP-Mann Brüderle zu viel. „Ich möchte die Märchenstunde beenden“, giftete er und schloss eine Ampel mit den „maximalen Steuererhöhern“ von SPD und Grünen aus. Trittin, der ansonsten um staatsmännische Haltung bemüht war, verlor für einen Moment die Fassung: „Sie lügen“, wies er Brüderle bei der Vermögensteuer zurecht.
Auch wenn es laut Umfragen nach einer großen Koalition riecht, Gysi gibt die Hoffnung auf ein rot-rot-grünes Bündnis noch nicht auf. Falls es eine Mehrheit jenseits von Schwarz-Gelb gebe, „dann rappelt es auch im Karton der SPD“, sagte er voraus. Die Latte für eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten legte er aber noch einmal ziemlich hoch. Gysi präsentierte eine 6-Punkte-Liste - einen Stopp für Bundeswehr-Auslandseinsätze und Rüstungsexporte dürfte die SPD aber sowieso kaum mittragen.
Brüderle und seine FDP setzen drei Wochen vor der Wahl voll auf Sieg. Die FDP will den Grünen am 22. September bürgerliche Wähler abjagen, die Angst vor Mehrbelastungen und Öko-Vorgaben haben. Dabei wähnen sich die Liberalen im Aufwind. Auch wenn die FDP derzeit nur auf 5 bis 7 Prozent taxiert wird, halten viele Umfragen eine Neuauflage der Koalition mit der Union für realistisch.
Die schwindende Machtperspektive für Rot-Grün wiederum ist das große Problem von Trittin und den Grünen vor dem Wahlkampfendspurt. Nach lange stabilen Rekordwerten schrumpften die Zustimmungswerte zuletzt teils auf 11 Prozent. Da fällt auf, dass im frisch präsentierten 100-Tage-Programm für den Fall eines Wahlsiegs die Energiewende wieder weiter in den Vordergrund gerückt ist, ein Kernthema der Grünen. Nun beanspruchen sie offiziell ein Energiewendeministerium.
Könnten sie sich dann nicht auch von CDU-Chefin Merkel durch so ein Angebot locken lassen? Trittin wollte von Schwarz-Grün beim Dreikampf nichts wissen. Die Union vertrete bei allen Themen fundamental andere Positionen. Noch hoffen die Grünen auf ein Bündnis mit der SPD. Laut Umfragen ist das kaum wahrscheinlich, wenn es nicht eine große Aufholjagd gibt. Ob die drei kleinen Parteien massiv zulegen können, bleibt nach dem Dreikampf abzuwarten. Die ARD hatte die Sendung mit „Die drei von der Zankstelle“ beworben. Das haben Brüderle, Trittin und Gysi auf jeden Fall eingelöst.