Anschlag in Berlin Untergetaucht - Anis Amri wurde beobachtet und verschwand
Berlin (dpa) - Nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt wird europaweit nach dem tunesischen Verdächtigen Anis Amri gefahndet. Für deutsche Behörden ist er kein Unbekannter.
Dennoch ist es dem 24-Jährigen gelungen, unterzutauchen - obwohl er als Gefährder bekannt war. Wie kamen die Ermittler nach dem Berliner Anschlag auf seine Spur, welche Behörden hatten mit dem gesuchten Mann zu tun?
- Die Papiere des Tunesiers wurden im Fußraum des Berliner Terror-Lkw gefunden. Wann genau sie entdeckt wurden, ist bisher unklar. Dass die Polizei das Dokument besitzt, wird erst am Mittwoch öffentlich.
- Die Behörden hatten den Mann schon länger im Blick: Gegen Amri wurde wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat ermittelt, wie der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch mitteilte. Das Landeskriminalamt NRW hatte laut Jäger ein entsprechendes Verfahren gegen den Mann initiiert. Die Ermittlungen führte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft.
- Worum es bei den Ermittlungen ging, teilte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft am Mittwochabend mit: Es habe Informationen gegeben, wonach der in NRW als „Gefährder“ geführte Verdächtige einen Einbruch plane, um Geld für den Kauf automatischer Waffen zu beschaffen - „möglicherweise, um damit später mit noch zu gewinnenden Mittätern einen Anschlag zu begehen“. Die Ermittlungen seien nach Hinweisen von Sicherheitsbehörden des Bundes eingeleitet worden.
- In Berlin wurde Amri deshalb von März bis September dieses Jahres überwacht. Die Observierung und Überwachung der Kommunikation habe aber lediglich Hinweise geliefert, dass Amri als Kleindealer im Görlitzer Park in Kreuzberg tätig sein könnte, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft. Für den Verdacht, dass Amri sich mit einem Einbruch Geld für einen möglichen Anschlag beschaffen wollte, habe es dagegen keine Anhaltspunkte gegeben - trotz Verlängerung der Überwachung. Deshalb wurde die Observation im September beendet.
- Amri, für den die Ausländerbehörde in Oberhausen zuständig sei, habe in Berlin zu diesem Zeitpunkt „nicht mehr festgestellt“ werden können, erklärte die Ermittlungsbehörde. Man habe keine Verbindungen zu seinen früheren Kontaktpersonen mehr beobachtet, der Mann sei auch an den bekannten Anlaufstellen, „namentlich einer relevanten Moschee“, nicht mehr angetroffen worden.
- Der Verdächtige war nach Jägers Informationen hochmobil, er pendelte mehrmals zwischen Berlin und NRW. Seine Einreise im Juli 2015 über Freiburg wurde registriert, sein Weg durch Deutschland seither ist fast lückenlos bekannt. In der Hauptstadt hatte er seit Februar 2016 seinen Lebensmittelpunkt.
- Der Tunesier war laut Jäger von den Sicherheitsbehörden länderübergreifend als Gefährder eingestuft worden - er ist somit einer von rund 550 Menschen, denen die Polizei grundsätzlich zutraut, dass sie einen Terrorakt begehen könnten. Die Behörden räumen seit langem ein, dass nicht alle Gefährder rund um die Uhr überwacht werden können. Nach Expertenschätzung sind etwa 40 Beamte nötig, um auch nur einen der Gefährder überwachen zu können. Das heißt: Insgesamt wären für die 550 Verdächtigen rund 22 000 Beamte nötig.
- Die Sicherheitsbehörden hatten sich zuletzt im November 2016 im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum von Bund und Ländern, dem GTAZ in Berlin, über Amri ausgetauscht. Unklar blieb aber am Mittwoch zunächst, in welchem Umfang über den Verdächtigen gesprochen wurde.
- Anis Amri hätte eigentlich gar nicht mehr in Deutschland sein sollen, im Juni 2016 wurde er Jäger zufolge als Asylbewerber abgelehnt. Die Ausländerbehörde des Kreises Kleve scheiterte aber mit dem Versuch, ihn in sein Heimatland abzuschieben, weil Tunesien die Passersatzpapiere zunächst nicht ausstellte. Begründung: Amri sei kein Tunesier. Erst am Mittwoch, also zwei Tage nach dem Berliner Anschlag, trafen sie bei den deutschen Behörden ein.