Untersuchungsausschuss zur NSA-Abhöraffäre wahrscheinlich
Berlin (dpa) - Der Bundestag wird voraussichtlich einen Untersuchungsausschuss einsetzen, um die NSA-Abhöraffäre aufzuklären. Nach Linkspartei und Grünen verlangt auch die SPD ein solches Gremium.
„Ein Untersuchungsausschuss des Bundestags, der Licht ins Dunkel bringt, ist unvermeidlich“, sagte SPD-Generalsekretär Andrea Nahles der „Bild“-Zeitung. Dabei könne der frühere Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der die Affäre mit seinen Veröffentlichungen losgetreten hatte, ein „wertvoller Zeuge“ sein. Snowden hat in Russland Asyl erhalten.
US-Regierungsvertreter haben einem Medienbericht zufolge eingeräumt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bis vor kurzem vom US-Geheimdienst NSA bespitzelt wurde. US-Präsident Barack Obama soll davon erst vor wenigen Wochen erfahren haben, wie das „Wall Street Journal“ (WSJ) am Sonntag (Ortszeit) online unter Berufung auf US-Regierungsvertreter berichtete. Die Abhöraktion sei nach einer von der Regierung in Washington im Sommer in Auftrag gegebenen internen Untersuchung eingestellt worden, hieß es in dem WSJ-Bericht.
Nahles sagte zu der Abhöraffäre: „Diese Vorgänge sind unerträglich. Sie haben die Kraft, alle freundschaftlichen
Bande zu zerstören, die uns immer mit den Vereinigten Staaten
verbunden haben.“ Ähnliche Kritik kommt unisono aus allen Parteien. Als „eklatant gestört“ bezeichnete CSU-Chef Horst Seehofer das „Vertrauen zu unseren amerikanischen Freunden“. Es werde „erhebliche Zeit brauchen, um es wieder aufzubauen“, sagte der bayerische Ministerpräsident dem in Ingolstadt erscheinenden „Donaukurier“.
Die Linke-Vorsitzende Katja Kipping sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Online-Ausgabe): „Was wir jetzt Tag für Tag erfahren, stellt die Substanz der europäisch-amerikanischen Beziehungen infrage.“ Obama „täte gut daran, schnell nach Deutschland zu kommen und sich vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit für die massenhafte Spitzelei zu entschuldigen“.
Ein Untersuchungsausschuss wäre auch ohne die SPD möglich, da die CDU/CSU diesen nicht verhindern würde. Fraktionschef Volker Kauder machte am Wochenende zwar deutlich, dass er gegen einen solchen Ausschuss ist. In der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ fügte er aber hinzu: „Wenn die zwei kleinen Oppositionsparteien den Untersuchungsausschuss wollen, haben wir gesagt, lassen wir das zu.“ Eigentlich hätten Linke und Grüne nicht genügend Sitze im Bundestag, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen.
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach gab in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ zu bedenken, ein Untersuchungsausschuss müsste Zeugen aus den USA hinzuziehen können und bräuchte Akten und Urkunden zur Auswertung. „Ich fürchte, da werden wir nicht die Beweismittel haben, um das abschließend klären zu können.“
Linksfraktionschef Gregor Gysi sagte jedoch im „Bericht aus Berlin“, er wolle folgende Fragen geklärt wissen: „Was haben eigentlich unsere Geheimdienste gemacht? Haben die davon gewusst oder haben die nicht davon gewusst? Gibt es nur Spionageabwehr gegen Osten und keine Spionageabwehr gegen Westen? Betreiben die USA vielleicht auch Industriespionage? Wie werden wir einfach davor geschützt?“
Der designierte FDP-Vorsitzende Christian Lindner plädierte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag) dafür, das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA an die Einhaltung des Bürgerrechts auf Privatsphäre zu knüpfen: „Die Gespräche über ein transatlantisches Freihandelsabkommen haben ohne ein transatlantisches Datenschutzabkommen keinen Sinn.“
Der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann sagte der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“ (Montag), Deutschland und Europa seien in dieser Situation nicht hilflos. „Wir können aufhören, bei Flugreisen die Passagiergast-Daten an die USA weiterzugeben. Und auch beim transatlantischen Freihandelsabkommen mit den USA könnten wir erst mal alles stoppen.“ Der CDU-Innenpolitiker Bosbach lehnte dies in der „Saarbrücker Zeitung“ (Montag) ab: „Es ist nicht klug, die Verhandlungen auszusetzen. Vielmehr sollte man sie fortsetzen mit dem Kapitel Datenschutz und Datensicherheit.“
Auch der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Philip D. Murphy, rief in der „Welt“ (Montag) Deutschland und die Europäer dazu auf, „keine Dinge zu tun, die nicht in unserem jeweiligen Interesse sind“. Der frühere US-Botschafter John Kornblum bezeichnete das Vorgehen des US-Geheimdienstes NSA in der ARD-Sendung „Günther Jauch“ als „Rechtsbruch“ und „Dummheit ersten Grades“. Er verweigerte die Auskunft darüber, ob in seiner Zeit in Berlin Mitarbeiter der
Geheimdienste in der US-Botschaft gearbeitet haben.