US-Schneesturm macht Boston zur Geisterstadt
Boston (dpa) - Ein eiskalter Wind schneidet in die Gesichter der wenigen Fußgänger. Der Wintersturm „Nemo“ hat Boston an der US-Ostküste besonders schwer erwischt. Die Großstadt wirkt wie eingefroren.
Zwei Stunden lang hatte Doran Dennis am Freitag mit seinem Schneepflug gegen die Schneemassen auf Bostons Gehwegen gekämpft, als sein Gerät zum zweiten Mal steckenblieb. Die Straßen der Großstadt waren wie ausgestorben. Normalerweise hätte es auf der Huntington Avenue Pulks von College-Studenten gegeben, die sich auf den Weg zu einer der Bars der Innenstadt machen. Doch der Blizzard „Nemo“ hat die Stadt an der US-Ostküste zum Stillstand gebracht.
„Es ist hier draußen wie in einer Geisterstadt“, sagte Dennis. „Ich mag Schnee, aber das ist ungewöhnlich.“ Der Angestellte der Stadt und seine Familie leben im Süden Bostons. Doch selbst wenn er nicht die ganze Nacht zum Arbeiten eingeteilt worden wäre, hätte er es nicht nach Hause geschafft, sagte er. Bis Samstagnachmittag (Ortszeit) soll es in der Region zwischen 30 und 120 Zentimeter Schnee geben, warnen die Meteorologen. Aber die weißen Flocken sind nicht das Schlimmste.
Ein Sturm mit einer Stärke von 80 Kilometern pro Stunde schleuderte die eisigen Kristalle in die Augen der Fußgänger, ungeschützte Hautstellen drohten zu erfrieren. Der TV-Sender Weather Channel berichtete von Hurrikan-artigen Windböen auf dem internationalen Flughafen Logan, der östlich von Boston liegt.
Das wenige Partyvolk, das dem Blizzard am Freitag trotzte, lief in der Mitte der sonst so dicht bevölkerten Straßen - und wich den Schneepflügen aus. Neben Stadtangestellten wie Dennis war in der Nacht nur eine Gruppe häufiger vertreten: Notfallpersonal. Die Sirenen ihrer Krankenwagen waren das einzige Geräusch, das neben dem stetigen Brummen der Pflüge zu hören war.
„Wir versuchen unsere Windschutzscheiben so frei zu bekommen, dass wir den Weg zur Klinik sehen können“, sagte ein Mitarbeiter der Ambulanz, bevor er die Tür des Wagens zuknallt und mit Blaulicht davonraste.
Doch die Sirenen und Lichter der Krankenwagen waren fast überflüssig auf den ausgestorbenen Straßen. Der Gouverneur von Massachusetts Deval Patrick hat alle Fahrzeuge, die nicht zur Notfall-Versorgung gehören, von den Straßen verbannt. Wer dagegen verstößt, den erwarten 500 Dollar (etwa 375 Euro) Strafe - oder gar ein Jahr Gefängnis.
Um sich auf Ladenschließungen vorzubereiten, hatten Anwohner zuvor die Geschäfte der Stadt gestürmt. Die Polizei berichtete von überfüllten Lebensmittelläden - und von einem ungewöhnlichen Raubversuch. Ein Kunde hatte versucht, einem anderen Lebensmittel aus dem Einkaufswagen zu stehlen, hieß es. Die Brot- und Milchregale waren am Freitagnachmittag leer.
Um Mitternacht wurden die Lebensmittelläden dicht gemacht. Die Parkplätze, auf den tagsüber noch verängstigte Anwohner ihr Auto abgestellt hatten, waren nun leer. Nur der Schnee blieb - und die weiße Decke wird wohl noch wachsen.