Venezuela vor der Wahl: Sozialismus oder Kurswechsel?

Caracas (dpa) - Sollte „El Comandante“ Hugo Chávez noch einmal gewinnen und die Amtszeit von sechs Jahren bis 2019 gesundheitlich durchstehen, dann wäre er 20 Jahre im Amt.

In Lateinamerika ist das eine rekordverdächtige Zeit, sieht man mal von seinem Ziehvater und Freund Fidel Castro auf Kuba ab, der die sozialistische Karibikinsel insgesamt 50 Jahre lang eisern auf Kurs hielt. Sein Herausforderer Henrique Capriles Radonski will zwei Jahrzehnte Chávez unbedingt verhindern. „Was in 14 Jahren nicht geschafft wurde, wird auch in sechs weiteren nicht erreicht“, lautet sein Fazit. Am 7. Oktober haben die Venezolaner nun die Wahl.

Die Umfragen lassen keinen wirklichen Schluss darauf zu, wer die Nase vorn hat. Einige geben dem 58-jährigen Ex-Oberstleutnant Chávez einen nahezu uneinholbaren Vorsprung von bis zu 20 Prozentpunkten, was selbst für einige Chavistas eher unglaubwürdig ist. Andere sehen ein Patt voraus, wieder andere attestieren dem erst 40-jährigen Ex-Gouverneur Capriles sogar einen Vorsprung vor Chávez. Entscheiden werden 18,9 Millionen wahlberechtigte Venezolaner, die in fast 14 000 Wahlzentren im ganzen Land an den Wahlautomaten ihren nächsten Präsidenten für die Zeit von 2013 bis 2019 bestimmen.

Chávez, der sich von seiner Krebserkrankung als völlig geheilt erklärte, wurde nicht müde, seine Anhänger live und auf allen verfügbaren Medienkanälen zu mobilisieren. „Ich will eine massive Wahlbeteiligung, alle für Chávez, alle fürs Vaterland. Mit Chávez gewinnt Venezuela, die Würde, das Volk und die Zukunft“, donnert der „Primer Mandatario“ den Chavistas, seinen Anhängern, auf den Wahlveranstaltungen zu. Er will die Abstimmung am 7. Oktober mit 70 Prozent der Stimmen gewinnen. Dabei setzt er auf seine vor allem bei der ärmeren Bevölkerung enorme Popularität, die er im Laufe der Jahre auch mit seinen „Misiones“-Sozialprogrammen gefestigt hat.

Venezuela hat zwar wirtschaftlich mit einer der höchsten Inflationsraten der Welt von 27,6 Prozent (2011) zu kämpfen, doch kann der Staatsapparat aus dem Vollen schöpfen, denn die Milliarden- Einnahmen aus dem Ölgeschäft sprudeln. Venezuela ist einer der weltweit führenden Ölproduzenten und Chávez unterstützt mit den Petro- Dollars auch andere Länder, vor allem das verbündete Kuba. Als Chávez 1999 an die Macht kam, lag der Öl-Barrel-Preis bei acht Dollar. Heute sind es über 100 Dollar, und das wird vermutlich erstmal so bleiben.

Capriles kritisiert, Chávez habe immerhin auf die höchsten Öleinnahmen in der Geschichte Venezuelas zurückgreifen können. Trotzdem aber habe er die externen Schulden des Landes von 33 Milliarden Dollar im Jahr 1999 auf 150 Milliarden Dollar in diesem Jahr anwachsen lassen. Capriles will die Öleinnahmen nur noch für die Venezolaner einsetzen. „Wir werden keinen Tropfen Öl mehr verschenken“, sagt der Einheitskandidat der Opposition. Das dürfte in Havanna mit Sorge gehört werden.

Am Wahltag „7-0“ setzt das Militär landesweit 39 000 Soldaten ein, um für Sicherheit zu sorgen. Die Armee steht erklärtermaßen auf der Seite von Chávez, der immer wieder im Falle eines Oppositionssieges vor Unruhen im Land warnte. Die im Capriles- Team mithelfende Politologin Nazly Escalona hält das lediglich für eine Drohgebärde. Sie sieht in den vergangenen Monaten klare Tendenzen für einen Sieg von Capriles und befürchtet auch keine Ausschreitungen: „Nach einem Sieg von Capriles wäre doch Chávez zunächst weiter Präsident, denn die Amtsübergabe ist erst drei Monate später. Bis dahin wäre er schließlich für Sicherheit verantwortlich.“