Von der Leyen auf allen Kanälen: „Ich habe nicht gedient“
Berlin (dpa) - Mit einem „Mordsrespekt“ vor den neuen Aufgaben zieht von der Leyen ins Verteidigungsministerium ein. Neben den Risiken des schwierigen Ressorts sieht sie aber auch gewaltige Chancen.
Um die neue Bundeswehrchefin zeichnet sich ein Medienhype à la Guttenberg ab.
Es ist keine vier Stunden her, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel die CDU-Minister verkündet hat, da sitzt Ursula von der Leyen schon bei Günther Jauch im Ledersessel und präsentiert sich als neue Chefin der Bundeswehr. „Verstehen Sie etwas von Verteidigungspolitik?“, will Jauch von ihr wissen. „Ich habe nicht gedient“, antwortet von der Leyen schlagfertig.
Es ist die erste öffentliche Äußerung zu ihrem neuen Amt. Und die sitzt. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die von der Leyen als Arbeitsministerin ablösen wird, lacht sich neben ihr schlapp. Das Publikum applaudiert. Von der Leyens Einstand ist gelungen.
Die 55-jährige Christdemokratin, die in den vergangenen acht Jahren die Ministerien für Familie und Arbeit geführt hat, versucht erst gar nicht, Tiefenkenntnisse in ihrem neuen Metier vorzutäuschen. „Ich bin absolut neu in dem Gebiet“, sagt sie. Sie wisse erst seit 72 Stunden von ihrem neuen Job, und die habe sie genutzt, um sich einzuarbeiten.
Eine Art Drei-Punkte-Programm für den Start ist dabei immerhin rausgekommen: Deutschlands wachsender Bedeutung in der Welt gerecht werden, den Soldaten Rückhalt geben und die „riesige Managementaufgabe“ der Bundeswehrreform meistern.
Viel Zeit zum Einarbeiten wird von der Leyen nicht haben. Gleich zu Jahresanfang muss sie für die Aufklärungstechnik der Skandal-Drohne „Euro Hawk“ ein neues Trägerflugzeug präsentieren. Das Mandat für die letzten Monate des Kampfeinsatzes in Afghanistan muss Ende Februar stehen, und der Plan für die Nachfolgemission sollte möglichst im Frühjahr fertig sein.
Aus dem Ruder laufende Rüstungsprojekte, der Riesenapparat mit 255 000 Soldaten und Zivilisten, die Eitelkeiten der Generale - das alles scheint von der Leyen nicht zu schocken. „Ich habe einen Mordsrespekt vor der Aufgabe“, sagt sie zwar, fügt aber hinzu. „Das ist sicherlich auch mit Risiken, aber auch mit gewaltigen Chancen verbunden.“
Am Morgen nach der Jauch-Sendung geht die Medienoffensive weiter. ARD-„Morgenmagazin“, N24, von der Leyen auf allen Kanälen. Es zeichnet sich bereits jetzt ein ähnlicher Medienhype ab, wie er vor vier Jahren um Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) entstanden ist. Die „Bild am Sonntag“ hob sie bereits mit Stahlhelm auf die Titelseite, der ARD-„Bericht aus Berlin“ twitterte eine Fotomontage mit von der Leyen als Actionheldin Lara Croft.
Guttenberg zog ähnlich wie jetzt von der Leyen als Hoffnungsträger ins Verteidigungsministerium ein. Aus dem Hoffnungsträger wurde schnell der Superstar der Union - bis zum Absturz wegen der Plagiatsaffäre um seine Doktorarbeit. Vielleicht hat Merkel sogar mit Guttenberg über die Personalie von der Leyen gesprochen, als sie ihn vor wenigen Wochen nach langer Zeit wieder mal im Kanzleramt traf. Ihren Überraschungscoup hatte sie jedenfalls lange geplant, wie sie hinterher verriet.
Im Verteidigungsministerium war man bis zuletzt auch in der Spitze fest davon ausgegangen, dass Thomas de Maizière im Amt bleibt. Als der noch amtierende Minister am vergangenen Mittwoch zu seinem letzten Truppenbesuch in Afghanistan war, wusste er noch nicht, dass Merkel am nächsten Tag von der Leyen ins Amt hieven würde.
Im Bendlerblock war die Überraschung am Montag so groß, dass der stellvertretende Sprecher, Kapitän zur See Christian Dienst, in der Regierungspressekonferenz für die Reaktionen kaum Worte fand. „Sie können mich jetzt abfotografieren, dann sehen Sie eine Ausführung, wie Überraschung aussehen kann“, sagte er.
Es gibt inzwischen aber auch schon leicht genervte Stimmen, dass die Übernahme des Verteidigungsministeriums durch eine Frau zur Sensation hochgespielt wird. In anderen Ländern gab es schon vor Jahrzehnten Frauen an der Spitze der Streitkräfte. In Norwegen waren vier der letzten fünf Ressortchefs weiblich. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner plädierte am Montag dafür, traditionelle Rollenzuteilungen im Kabinett ganz aufzulösen. „Vielleicht wird's irgendwann auch mal Zeit, dass ein Mann Familien- und Frauenministerin wird“, sagte sie.