Fragen und Antworten Was eine Ausbildung für viele zur Belastung macht
Berlin (dpa) - Druck vom Chef, Überstunden, lange Arbeitstage - viele Azubis in Deutschland klagen über Stress im Job. Das zeigt der Ausbildungsreport 2018, den die Jugendabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) zum Start des Ausbildungsjahrs am Montag in Berlin vorstellte.
Über Monate waren fast 15.000 Azubis befragt worden - ein Überblick:
Welche Sorgen haben Azubis mit ihren Arbeitszeiten?
Regelmäßig Überstunden müssen 36,3 Prozent der Azubis leisten. 13 Prozent von ihnen bekommen sie nicht bezahlt oder zeitlich ausgeglichen - obwohl das gesetzlich vorgeschrieben ist. Ein Viertel der Azubis arbeitet in Schichten, und bei der Hälfte von ihnen wird nach eigenen Angaben die vorgeschriebene Ruhezeit von elf Stunden nicht eingehalten. Bei 54,4 Prozent der Azubis erwarten die Chefs mobile Erreichbarkeit außerhalb der Ausbildungszeiten.
Läuft die Ausbildung immer nach Plan?
Nein. Jedem dritten Azubi fehlt die Voraussetzung, die Lerninhalte zu überprüfen - nämlich der gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungsplan, der die Lehre gliedern soll. Der Anteil derer, die häufig ausbildungsfremde Arbeiten machen müssen, stieg binnen eines Jahres von 10,5 auf 11,9 Prozent.
Wie sehen Klagen von Azubis beispielhaft aus?
Das zeigt eine DGB-Beschwerdeplattform. Hier schrieb etwa Sabrina: „Ich musste fünf Tage die Woche von 17 Uhr bis open end kellnern, die Kneipe organisieren und einen Tag zur Berufsschule.“ Sie habe viele Überstunden gemacht und wenig gelernt. Birte klagte, sie langweile sich in ihrer Ausbildung. „Die meiste Zeit sitze ich einfach nur rum und kann nichts machen.“ Und eine angehende Verwaltungsangestellte suchte Rat, weil sie zwar übernommen werden solle, aber nun kaum Zeit für Prüfungsvorbereitungen habe, da sie zugleich viel für die neue Tätigkeit lernen müsse.
Sind die Azubis überwiegend unzufrieden mit ihrer Lehre?
Nein. Insgesamt waren laut Ausbildungsreport 2018 rund 70,2 Prozent der Azubis mit ihrer Lehre sehr zufrieden oder zufrieden. In den vergangenen Jahren aber lagen die Werte etwas höher und pendelten zwischen 71,4 und 73 Prozent.
Wo gibt es die meisten Probleme?
Angehende Hotelfachleute, zahnmedizinische Fachangestellte, Einzelhändler, Tischler und Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk bewerten ihre Lehre laut DGB-Report überdurchschnittlich schlecht. Besonders gut schneiden dagegen Ausbildungen zu Verwaltungsfachangestellten ab, zu Mechatronikern, Industriemechanikern und Elektronikern für Betriebstechnik.
Wie ist die Lage auf dem Ausbildungsmarkt aktuell?
Die Bundesagentur für Arbeit erwartet, dass es 2018 wohl erstmals seit Jahren weniger Bewerber als Stellen in der betrieblichen Ausbildung gibt. So wurden bis Juli 531.426 Lehrstellen fürs neue Ausbildungsjahr gemeldet, aber nur 501.878 Interessenten. Denn die Schülerzahlen sinken - der Bedarf der Firmen an Mitarbeitern steigt. Die beliebtesten Ausbildungen: eine Lehre im Einzelhandel, als Kaufleute für Büromanagement, Verkäufer, Kraftfahrzeugmechatroniker und Industriekaufleute.
Wie viele Bewerber blieben vergangenes Jahr unversorgt?
Laut Berufsbildungsbericht waren es 24.000. Dabei stieg die Zahl der Ausbildungsverträge um 3000 auf 523.300. Weniger als jeder fünfte Betrieb bildet aus. Die Zahl der unbesetzt gebliebenen betrieblichen Ausbildungsstellen stieg auf knapp 49.000.
Was plant die Bundesregierung?
Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) will die berufliche Ausbildung stärken. So sollen kleine Betriebe, in denen die Ausbildungsquote zurückgegangen ist, dabei unterstützt werden, eine Ausbilder-Eignung zu machen und Lehrstellen anzubieten. Das Berufsbildungsgesetz soll reformiert, eine Mindestausbildungsvergütung verankert werden.
Was fordert der DGB?
DGB-Vize Elke Hannack dringt darauf, dass Karliczek Dampf macht mit der Reform des Berufsbildungsgesetzes. „Dreh- und Angelpunkt für eine moderne Berufsbildung sind gute und engagierte Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben“, sagt sie. Sie müssten durch ein Recht auf Weiterbildung gestärkt werden.
Was verlangt der DGB beim Geld?
Als Mindestvergütung für Azubis fordert der DGB im ersten Ausbildungsjahr 635 Euro im Monat, im zweiten Jahr 696 Euro und im dritte Jahr 768 Euro. Laut Ausbildungsreport gibt es große Branchenunterschiede: Für angehende Tischler gebe es 573 Euro im ersten Jahr, für Friseure nur 406 Euro. Weit besser schneiden etwa Bankkaufleute mit 1028 Euro im dritten Lehrjahr ab oder Verwaltungsfachangestellte mit 1014 Euro. Rund 160.000 Jugendliche würden laut Hannack von einer Mindestvergütung profitieren.