Was kommt jetzt auf Anleger und Firmen zu?
Berlin (dpa) - Viel Lärm um nichts? Aus Sicht der Kritiker sind die Vorschläge von Merkel und Sarkozy zur Stabilisierung der Eurozone nur „alter Wein in neuen Schläuchen“. Tatsächlich enthalten sie keine radikal neuen Wege.
Wirtschaft und Banken warnen dennoch vor neuen Belastungen.
Der Jubel über die Vorschläge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy zur Stabilisierung der Eurozone hält sich in Grenzen. Für die Steuerzahler ändert sich - zunächst - gar nichts. Sie müssen weiter auf einen Abbau der gigantischen, weiter steigenden Staatsschulden hoffen.
Merkel und Sarkozy haben eine gemeinsame „echte“ Wirtschaftsregierung angekündigt. Was soll das bedeuten?
Das französisch-deutsche Duo spricht von einem „Eckpfeiler der verbesserten wirtschaftlichen Steuerung“ des Eurogebiets. Die Themen: Einhaltung des Stabilitätspakts, Grundsatzentscheidungen zur Krisenabwehr sowie die zuletzt immer weiter auseinander klaffende Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer. Doch dafür gibt es längst ein eingespieltes Forum, allerdings „nur“ auf Ebene der Fachminister aus den Finanzressorts, die sich ohnehin deutlich öfter als zweimal im Jahr treffen. Der schwedische Ministerpräsident Frederik Reinfeldt hat bereits die Sorge geäußert, dass mit dem Vorstoß lediglich die Zahl der Gipfeltreffen auf EU-Ebene steigt. Daher verlangt er, dass die französisch-deutschen Vorschläge wirklich zu einer größeren Einigkeit und zu mehr Haushaltsdisziplin führen müssen.
Würde eine solche „Wirtschaftsregierung“ denn die nationale Wirtschaftspolitik ersetzen?
Nein, denn ein halbjähriges Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs kann gar keine „echte“ Wirtschaftsregierung sein, selbst wenn es zusätzliche außerordentliche Sitzungen gäbe. Für eine richtige europäische Regierung müssten die Euro-Länder auf einige echte Befugnisse verzichten. Vor allem in der Haushalts- und Steuerpolitik müssten sie Macht an Brüssel abgeben. Dies ist derzeit undenkbar; in Deutschland würde sich vermutlich auch das Verfassungsgericht querlegen. Letztlich bleibt es damit beim „Geburtsfehler“ des Euro: Eine gemeinsame Währung mit allen wirtschaftlichen Folgen - aber ohne politische Klammer. Details des Vorschlags sind allerdings noch nicht bekannt. Unter anderem bleibt abzuwarten, welche Befugnisse die vorgeschlagene Wirtschaftsregierung haben solle, sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel.
Die Festlegung einer Schuldenobergrenze ist ein weiterer Bestandteil des Vorschlags. Was heißt das?
Eigentlich gibt es im Maastricht-Vertrag schon Obergrenzen. Die Neuverschuldung darf nicht über 3 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, der gesamte Schuldenstand nicht über 60 Prozent. Wirklich gehalten an beide Vorgaben hat sich daran kaum ein Land. Auch Deutschland ist bei der Schuldenstandquote mit mehr als 80 Prozent weit von einem Einhalten entfernt. Der schon vereinbarte Euro-Plus-Vertrag sieht bereits schärfere Regeln vor. Merkel und Sarkozy wollen nun, dass alle Euro-Länder bis Sommer 2012 eine Regelung für einen ausgeglichenen Haushalt in die Verfassung aufnehmen. Auf diese Weise würde auch der Schuldenstand gesenkt. Die Länder müssen aufzeigen, wie sie unter den Referenzwert von 60 Prozent gelangen.
Wie verbindlich ist das, ab wann kommt es, und wie wirkt sich das auf Verbraucher aus?
Wenn es wirklich zu verbindlichen Schuldenobergrenzen in allen Euro-Ländern kommt, wäre das eine gute Nachricht für den Steuerzahler. Niedrigere Schulden können schließlich geringere Zinslasten bedeuten. Andererseits kann ein verschärfter Sparkurs in einigen Ländern auch dazu führen, dass der Konjunkturmotor abgewürgt wird - oder gar nicht erst anspringt. Davon sind vor allem die besonders hoch verschuldeten Länder betroffen. Unklar bleibt, wie verbindlich eine solche Obergrenze ist. Die USA haben erst vor kurzem vorgeführt, dass solch ein Instrument ein stumpfes Schwert im Kampf gegen überbordende Schulden sein kann: Dort gibt es seit langem eine gesetzliche Schuldenobergrenze, die aber immer wieder heraufgesetzt wurde.
Die gemeinsame Körperschaftssteuer in Deutschland und Frankreich ist ein weiteres Ziel. Müssen Unternehmen höhere Lasten fürchten?
Nach Darstellung von Kanzlerin Merkel ist das nicht zu befürchten. Es dürfte eher eine Angleichung Richtung Deutschland sein. In Frankreich ist der Steuersatz höher, die Berechnungsgrundlage beziehungsweise Steuerbasis aber kleiner als in Deutschland. Unterm Strich gilt die Belastung der Unternehmen in Frankreich als höher. Die Körperschaftsteuer zahlen auch nur Kapitalgesellschaften (AG und GmbH). Personengesellschaften, die den Großteil deutscher Betriebe stellen, zahlen auf den Gewinn bis zu 42 Prozent Einkommensteuer.
Die vorgeschlagene Finanztransaktionsteuer wird schon seit Jahrzehnten diskutiert. Wenn sie nun wirklich im Euroraum umgesetzt würde, mit welchen Folgen müssten Anleger rechnen?
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) weist darauf hin, dass eine solche Steuer zunächst nur die Finanzwirtschaft belaste, die neuen Belastungen aber an die Kunden weitergereicht würden. „Damit würden erneut die Privatanleger zur Kasse gebeten“, kritisiert die DSW. Konkret lassen sich die Folgen aber noch gar nicht abschätzen, weil noch gar keine Details auf dem Tisch liegen. Offen ist beispielsweise, ob die Steuer auf alle Finanzgeschäfte erhoben werden soll - oder nur Gewinne besteuert werden.