Fragen und Antworten Wasserstoffbombe über dem Pazifik: Welche Folgen hätte das?
Pjöngjang/Washington (dpa) - Nordkorea hat die Weltgemeinschaft in Aufruhr versetzt - wieder einmal. Welche Folgen hätte die Drohung, eine Wasserstoffbombe über dem Pazifik zu testen - für die Weltpolitik und den Planeten?
Einige Antworten:
Wäre der Test eine neue Eskalationsstufe im Nordkorea-Konflikt?
Ja. Bisher hat Nordkorea trotz UN-Sanktionen sechs Atomtests unternommen - auf eigenem Territorium. Davon nach eigenen Angaben zwei Versuche mit Wasserstoffbomben. Der UN-Sicherheitsrat hat jeweils mit der Verschärfung von Sanktionen gegen Pjöngjang reagiert. Die Verlegung eines Tests in den Pazifik wäre ein deutliches Warnsignal an die USA. Wo solch ein Test erfolgen soll, wie er technisch durchführbar wäre und ob über dem Pazifik oder unter Wasser, blieb unklar.
Kann Nordkorea denn Raketen mit atomaren Gefechtsköpfen bestücken?
Ob das Land schon so weit ist, Atomsprengköpfe zu produzieren, die klein genug sind, um auf Mittel- oder Langstreckenraketen montiert werden zu können, zweifeln Experten an. Allerdings schrieb die „Washington Post“ im August, Mitarbeiter des US-Geheimdienstes gingen jetzt davon aus, dass Pjöngjang auch diesen Schritt beherrsche. Mitte September hatte Nordkorea erneut eine Mittelstreckenrakete des Typs Hwasong-12 getestet, die über den Norden Japans in den Pazifik flog.
Was genau ist denn eine Wasserstoffbombe?
Die erste Wasserstoffbombe, auch H-Bombe genannt, wurde in den USA entwickelt und 1952 im Pazifik gezündet. Ihre Sprengkraft geht weit über die von Atombomben hinaus. Während diese ihre Zerstörungskraft aus der Spaltung von Uran- oder Plutoniumkernen beziehen, beruht das Prinzip der Wasserstoffbombe auf der Verschmelzung von Kernen des Elements Wasserstoff zu Helium - vergleichbar mit den physikalischen Prozessen auf der Sonne. Weil zur Zündung einer H-Bombe extrem hohe Temperaturen nötig sind, kommt eine Atombombe als Zünder zum Einsatz. Ob Nordkorea tatsächlich über die größte bisher entwickelte Massenvernichtungswaffe verfügt, ist aber noch fraglich.
Sind Atomtests in der Atmosphäre nicht verboten?
Ein Abkommen, das oberirdische Kernwaffenversuche verbietet, gibt es schon seit 1963 - damals unterzeichnet von den USA, Großbritannien und der Sowjetunion. Das Moskauer Atomteststoppabkommen sollte Tests in der Atmosphäre, im Weltraum oder unter Wasser verhindern, um Mensch und Umwelt vor radioaktiver Verseuchung zu schützen. Doch längst nicht alle Staaten sind ihm beigetreten, darunter Nordkorea. Ein umfassendes Verbot auch unterirdischer Tests sieht der 1996 verabschiedete Atomteststopp-Vertrag CTBT vor. Er kann aber erst in Kraft treten, wenn ihn alle Staaten ratifiziert haben, die über Atomtechnologie verfügen. Das haben mehr als 40 bisher nicht getan.
Welche Auswirkungen wären zu erwarten?
Alle bisherigen Nukleartests in der Atmosphäre hätten zusammen so viel Energie freigesetzt wie 29 000 Hiroshima-Bomben, zählt die Organisation für die Überwachung des Atomteststopp-Vertrages CTBTO. Neben den geopolitischen Konsequenzen wären von einem Test über dem Pazifik auch Mensch und Natur betroffen. Radioaktivität kann zu Zellmutationen und damit zu Krebs führen. Im Meer werden Fische und andere Lebewesen kontaminiert. Radioaktivität könnte so in die Nahrungskette gelangen.
Gibt es Zahlen zu Opfern von Nukleartests?
Keine genauen. Laut CTBTO ist es schwierig, genaue Todeszahlen wegen radioaktiver Kontaminierung zu erheben. In einer Studie von 1991 schätzt die Anti-Atomwaffen-Organisation IPPNW, dass die Zahl der Krebstoten wegen Verstrahlung nach Nukleartests bis zum Jahr 2000 bei 430 000 liegen und in den Jahren danach noch auf bis zu 2,4 Millionen steigen könnte.
Wie viele Atomtests hat es denn bisher gegeben?
Seit 1945 mehr als 2000, überwiegend durch die USA und Russland. Beide stoppten ihre Tests - so wie Großbritannien - zu Beginn der 1990er Jahre. Frankreich und China schlossen sich 1996 an, Indien und Pakistan folgten 1998. Alle jüngeren Atomtests gehen auf das Konto des Regimes in Nordkorea, sechs seit Oktober 2006.
Wie steht Südkorea zu Nordkoreas jüngsten Drohungen?
Seoul hat sie zunächst nicht direkt kommentiert. Außenministerin Kang Kyung Wha beriet sich jedoch mit ihrem US-Kollegen Rex Tillerson in New York. Details wurden zunächst nicht bekannt. Kang betonte jedoch, dass vom Raketen- und Atomprogramm Nordkoreas die größte Gefahr für die internationale Politik gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen darstelle.
Und wie würde Washington reagieren?
Das ist unklar. Die Sprecherin des Außenministeriums, Heather Nauert, wollte die Frage am Freitag nicht beantworten. Eine mögliche Reaktion hängt davon ab, ob die Regierung von Präsident Donald Trump die Zündung als Provokation oder als Angriff werten würde. Washington hat dem nordkoreanischen Regime mit einem Militärschlag gedroht, sollte es die USA oder einen Verbündeten angreifen. Zur Frage stünde also etwa, ob das Weiße Haus es als Angriff definieren würde, sollten die USA von radioaktivem Niederschlag betroffen sein.
Und was ist die Position Pekings?
Auch für China wäre es die bisher gefährlichste Provokation Nordkoreas. Peking müsste reagieren und dürfte die Sanktionsschraube entschieden anziehen. Da Nordkoreas Warenhandel und -schmuggel wesentlich über die Grenze zu China läuft, hätte Peking noch ein Druckmittel. China will ein Korea ohne Atomwaffen, um das Risiko eines Atomkriegs in seiner Nachbarschaft zu minimieren. Es fürchtet jedoch einen Kollaps Nordkoreas, der Flüchtlingsströme nach China und das Heranrücken von US-Truppen bis an die chinesische Grenze zur Folge haben könnte. Deshalb setzt China bisher die mitbeschlossenen UN-Sanktionen gegen Nordkorea um, lässt dem Land aber Luft zum Atmen. Der Test einer H-Bombe würde diese Haltung auf die Probe stellen.