Weg mit der Queen: Der Wahlkampf der Grünen
Bristol (dpa) - Leere Plastikflaschen auf den Straßen, und im Supermarkt drängt der Kassierer seinen Kunden Einkaufstüten geradezu auf: Die Briten erscheinen nicht gerade als Vorreiter in Sachen Umweltbewusstsein.
Doch es tut sich etwas.
Die Green Party, Großbritanniens Grüne Partei, hofft auf zwölf Sitze bei der Parlamentswahl am 7. Mai. Ihre Mitgliederzahl ist von rund 13.000 Ende 2013 auf nun 60.000 gestiegen. Schon ist von einer „Grünen Welle“ die Rede. Die etablierten Parteien haben reagiert und mehr Umweltthemen in ihre Programme aufgenommen. Geht auf der Insel also bald eine grüne Saat auf? Wenn es nach Darren Hall geht, der für die Green Party in Bristol West kandidiert, dann ist die Zeit dafür reif: „Die Leute wissen, dass sich jetzt einiges ändern muss.“
Im Wahlprogramm geht es natürlich viel um Umweltschutz: gegen übermäßigen CO2-Ausstoß, für mehr Recycling, ein besseres öffentliches Verkehrssystem und die Abschaffung der britischen Atomwaffen. Die Partei will aber auch eine fairere Wirtschaft etablieren, die lokale Firmen und Geschäfte stärkt, sowie bezahlbaren Wohnraum und ein besseres Gesundheitssystem schaffen.
Und dann gibt es da noch die Forderungen nach einem Grundeinkommen für alle und einem höheren Steuersatz für Reiche. Außerdem sollen Drogen legalisiert, Militärausgaben gedrosselt sowie die Mitgliedschaft in Terrororganisationen nicht mehr bestraft und die Monarchie abgeschafft werden. Solche Pläne klingen in britischen Ohren ziemlich radikal - und erinnern unwillkürlich an die parlamentarischen Anfänge der deutschen Grünen in den 1980er Jahren.
„Ja, wir sind radikal. Aber wir bieten den Leuten eine Alternative. Und wir werden zu unseren Werten stehen“, verspricht Darren Hall. In seinem Bezirk Bristol West könnte der ehemalige Ingenieur der Luftstreitkräfte tatsächlich Gewinnchancen haben. Hier wohnen viele Künstler und Kreative, die sich schon seit Jahren für die Umwelt und die Gemeinschaft engagieren. Bristol wurde außerdem zur europäischen grünen Hauptstadt 2015 ernannt.
„Die Leute sind es, die hier grün sind - nicht die Politiker“, meint Hollie Lewis. Sie verkauft im „Little Shop“ Werke von lokalen Künstlern, zu denen auch sie selbst gehört.
„Es wäre gut, wenn die Aktivisten von den Politikern unterstützt würden“, finden Catie und Marianna vom Restaurant „Skipchen“, in dem sie Gerichte aus Zutaten mit abgelaufenem Verfallsdatum anbieten. „Zum Beispiel, in dem sie Gesetze ändern, die die Leute hier in ihrem Engagement stoppen.“
Die Green Party hat jüngere Wähler als der Durchschnitt, hat Sarah Birch, Professorin für vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Glasgow, herausgefunden. „Diese Partei wird jetzt als eine brauchbare Protestpartei wahrgenommen.“ Wie viele Experten glaubt jedoch auch sie, dass die Grünen im neuen Parlament - wie bisher - höchstens auf einen Sitz kommen werden. Die „Grüne Welle“ werde man eher bei den Wahlen in den Kommunen bemerken.
Das liegt auch am Wahlsystem in Großbritannien. Dabei zählen in einem Wahlkreis nur die Stimmen des Gewinners. Während Parteien in Deutschland zwar einen Wahlkreis verlieren, aber über die Zweitstimmen dennoch ins Parlament einziehen können, gehen im britischen Wahlsystem alle Stimmen der jeweils unterlegenen Parteien verloren. Das macht es für kleine Parteien noch schwerer, ins Parlament einzuziehen.
Verständlich, dass Caroline Lucas die Frage in einer öffentlichen Fragerunde, was sie sich von einer guten Fee wünschen würde, mit „Verhältniswahl“ beantwortete. Die 54-Jährige kandidiert im Seebad Brighton und kämpft um ihre Wiederwahl. Sie ist derzeit die einzige grüne Politikerin im Unterhaus. Einige Vorhersagen gehen davon aus, dass sie ihr Mandat wieder gewinnen kann.
Zwölf Sitze sind also eher Wunschdenken bei der Green Party - auch wenn die aus Australien stammende Parteichefin Natalie Bennett den Gewinn von sechs Mandaten als „konservative Schätzung“ bezeichnet. Wahlforscher halten es für höchst unwahrscheinlich, dass die Grünen zum Königsmacher einer Linksregierung werden könnten. Deutlich mehr wird etwa der schottischen Unabhängigkeitspartei SNP zugetraut, die in Umfragen derzeit bei über 40 Sitzen liegt.