Wer wird der neue Wulff?
Berlin (dpa) - Christian Wulff hatte seinen Rücktritt noch nicht verkündet, da lief in Berlin das Kandidaten-Karussell schon auf Hochtouren.
Um kurz nach 11.30 Uhr sorgte Kanzlerin Angela Merkel am Freitag dann höchstpersönlich dafür, dass das Rennen als ziemlich offen gilt. Die CDU-Chefin will auch mit SPD und Grünen beraten, wer als neues Staatsoberhaupt ins Schloss Bellevue einzieht. Ob es am Ende tatsächlich ein überparteilicher Kandidat wird, ist aber ungewiss. Eine Übersicht möglicher Wulff-Nachfolger:
THOMAS DE MAIZIÈRE (CDU): Der Merkel-Vertraute gilt als Tausendsassa und Profi. Finanzen, Justiz, Inneres, Verteidigung - er hat schon viele Ministerämter auf Landes- und Bundesebene erfolgreich gemanagt. Nach dem Rücktritt Karl-Theodor zu Guttenbergs (CSU) brachte er geräuschlos die schwierige Bundeswehr-Reform auf den Weg. Sollte Merkel ihn fragen, würde der 58-Jährige wohl kaum ablehnen. Er ist mit Leib und Seele Preuße und Beamter. Merkel kennt de Maizière seit Wendezeiten. Später sei ein Verhältnis „tiefen Vertrauens“ erwachsen, sagte de Maizière einmal.
JOACHIM GAUCK (PARTEILOS): Der frühere Pastor und DDR-Bürgerrechtler war so etwas wie der „Sieger der Herzen“ bei der Präsidentenwahl 2010, die er erst im dritten Wahlgang gegen Wulff verlor. Der heute 72-Jährige machte sich einen Namen mit der Aufarbeitung der DDR- Vergangenheit. Gauck wird auch bei Union und FDP geschätzt. Das Verhältnis zu Merkel gilt aber als schwierig. In Koalitionskreisen heißt es, wenn Merkel nun Gauck nähme, wäre es das Eingeständnis, mit Wulff aufs falsche Pferd gesetzt zu haben. Gauck sagte über sein Verhältnis zu Merkel: „Wir mögen uns, aber wir sagen Sie zueinander.“
WOLFGANG SCHÄUBLE (CDU): Wenn es um das höchste Staatsamt geht, fällt immer auch sein Name. Der Bundesfinanzminister und „Architekt“ der Deutschen Einheit ist die Säule im Kabinett. Allerdings wird Schäuble im September 70 und fühlt sich mit der Euro-Rettung ausgelastet, wie es aus seinem Umfeld heißt. Auch wäre in der Koalition ein breiter Rückhalt für ihn offen. Für die FDP ist Schäuble ein rotes Tuch, weil er in ihren Augen Steuersenkungspläne immer wieder torpedierte.
KLAUS TÖPFER (CDU): Der frühere Umweltminister gilt seit Jahren als „Öko-Papst“ und respektabler Präsidenten-Kandidat. Auf die Frage, ob er wolle, sagt der in Schlesien geborene 73-Jährige nur: „Dieses Thema ist von mir nicht zu erörtern.“ Bei SPD und Grünen hat er rund um den Atomausstieg gepunktet. Töpfer war einer der zwei Chefs der von Merkel nach dem Gau von Fukushima ins Leben gerufenen Ethikkommission. Töpfer hat bei Union und FDP aber nicht nur Freunde. FDP-Chef Philipp Rösler nannte ihn „konservativen Weltverbesserer“.
NORBERT LAMMERT (CDU): Als souveräner und mitunter widerborstiger Bundestagspräsident hat sich der 63-Jährige Anerkennung über Parteigrenzen hinweg verschafft. Mehr als einmal fuhr der CDU- Politiker auch der Kanzlerin in die Parade. So stimmte er Ende 2009 gegen die Hotel-Steuerentlastung. Sollte er Präsident werden, dürfte der gebürtige Bochumer für Merkel unbequem bleiben. Zu Lammerts Verdiensten wird gezählt, dass er bei der Euro-Rettung die stärkere Rolle des Bundestages mit durchsetzte.
URSULA VON DER LEYEN (CDU): Heiß gehandelte Kandidatin für das Amt der ersten Frau im Staate war die 53-Jährige schon einmal, als es um die Nachfolge des abgetretenen Präsidenten Horst Köhler ging - dann wurde es Wulff. In Erinnerung blieb aber, wie die Tochter des früheren niedersächsischen Regierungschefs Ernst Albrecht mit ihren Chancen gestenreich kokettierte. Dass die siebenfache Mutter und Ex-Familienministerin noch nicht am Ende ihrer Ambitionen angelangt ist, gilt jedoch als wahrscheinlich. Als CDU-Vize meldete sich die Niedersächsin zuletzt etwa auch zur Zukunft Europas zu Wort.
ANDREAS VOßKUHLE (PARTEILOS): Dass ein Präsident des Bundesverfassungsgerichts ein anerkannter Bundespräsident werden kann, ist noch gut in Erinnerung. Roman Herzog wechselte 1994 aus Karlsruhe ins Schloss Bellevue. Voßkuhle steht noch keine zwei Jahre an der Spitze des höchsten deutschen Gerichts. Allerdings nahm er bisherige Karrierestationen mit hohem Tempo - und ist mit 48 Jahren jünger als Wulff. Als Verfassungsrichter vorgeschlagen hatte ihn die SPD, und Voßkuhle widerspricht nicht, wenn ihm Nähe zu „sozialdemokratischen Grundgedanken“ nachgesagt wird. Er legt aber Wert auf die Feststellung, er sei „kein Lagerbewohner“.
KATRIN GÖRING-ECKARDT (GRÜNE): Frau, ostdeutsch und Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland - die Grünen-Politikerin hat einige Attribute, die ihr jetzt Außenseiterchancen einbringen. Allerdings wäre die 45-Jährige laut Koalitionskreisen im schwarz- gelben Lager nicht mehrheitsfähig. Sie stammt aus dem thüringischen Friedrichroda und war im September 1989 Gründungsmitglied der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“ und von „Bündnis 90“. Seit fünf Jahren ist sie Bundestags-Vizepräsidentin.