Analyse Werden die Kommunalwahlen ein Testlauf für Theresa May?

London (dpa) - Gut einen Monat vor der Parlamentswahl in Großbritannien stimmen viele Briten über neue Lokalparlamente und einige Bürgermeister ab. Die Wahlen könnten zum Testlauf für die Parlamentswahl am 8. Juni werden.

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Das glaubt der Politikwissenschaftler Tony Travers von der London School of Economics and Political Science (LSE). „Viele Wähler können ihren Gefühlen freien Lauf lassen“, sagt er.

Bei den Wahlen am 4. Mai stehen alle Kommunalversammlungen in Schottland und Wales zur Wahl. In England werden 34 lokale Parlamente neu gewählt. In sechs Ballungsräumen wird erstmals der Posten eines Oberbürgermeisters vergeben, darunter in Manchester, Birmingham und Liverpool.

Umfragen sagen eine Niederlage für die Sozialdemokraten von Jeremy Corbyns Labour-Partei voraus. Bis zu 125 Sitze könnte Labour verlieren, glauben Experten. Profitieren könnten davon die Konservative Partei von Premierministerin Theresa May. Auch die Schwäche der EU-feindlichen Ukip-Partei könnte den Tories in die Hände spielen.

Das Thema Brexit sehen viele bei der Premierministerin besser aufgehoben als bei den oft chaotisch agierenden Ukip-Politikern. Die Liberaldemokraten erhoffen sich von ihrem Wahlkampf gegen einen harten Brexit einen erheblichen Stimmenzuwachs. Immerhin hatten beim Brexit-Referendum im vergangenen Jahr 48 Prozent der Wähler für einen Verbleib Großbritanniens in der EU gestimmt.

Fraglich ist, inwieweit nationale und internationale Themen wie der EU-Ausstieg eine Rolle bei den Kommunalwahlen spielen werden. Steve Thomas vom Verband der walisischen Lokalregierungen befürchtet, die Wahlen könnten von den Themen der Parlamentswahl überlagert werden.

Der Politikwissenschaftler Simon Usherwood von der Universität Surrey warnt davor, die Bedeutung der Kommunalwahlen für die Parlamentswahl zu überschätzen. Trotzdem glaubt er, dass ihr Ausgang einen Hinweis darauf geben kann, ob die Erwartungen für die landesweite Wahl eintreffen werden. „Man würde erwarten, dass die Konservativen gut abschneiden. Wenn sie das nicht tun, wäre das ein Anzeichen dafür, dass der Sieg von Theresa May weniger beeindruckend ausfallen könnte, als gedacht“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.

Auch ob es zu einem Zusammenbruch der Labour-Partei komme, lasse sich möglicherweise bei den Kommunalwahlen bereits voraussehen. Der ehemalige Labour-Abgeordnete Andy Burnham beispielsweise gilt als Favorit bei der Bürgermeisterwahl im Großraum Manchester. „Falls Andy Burnham die Bürgermeisterwahl in Manchester nicht gewinnen sollte, wäre das ein Anzeichen dafür, dass Labour in einer besonders schlimmen Situation ist“, sagte Usherwood. Burnham hält deutlich Abstand zu dem unpopulären Labour-Chef Jeremy Corbyn. Doch ob ihm das helfen wird, ist fraglich.

In Schottland dagegen wäre es eine Überraschung, wenn die Schottische Nationalpartei SNP den Sozialdemokraten die Mehrheit in Glasgow nicht abjagen sollte. Für die schottischen Nationalisten wäre ein Erfolg bei den Kommunalwahlen ein wichtiger erster Indikator dafür, wie die Ankündigung für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum von Regierungschefin Nicola Sturgeon bei der Bevölkerung angekommen ist. Im Parlament in Edinburgh hat Sturgeon eine Mehrheit dafür bekommen. Die britische Premierministerin Theresa May will aber von einem Unabhängigkeitsreferendum vor Abschluss der Austrittsgespräche mit der EU nichts wissen.