Nachbeben forderte neue Opfer Wieder sterben Menschen in Nepal unter Trümmern

Kathmandu (dpa) - Nepal gräbt noch nach Verschütteten, verteilt noch Zelte an Obdachlose und fliegt noch immer Verletzte aus entlegenen Bergregionen aus - da passiert schon die nächste Katastrophe.

Foto: dpa

Wieder erschüttert ein gewaltiges Beben die Erde. Häuser, die vor 17 Tagen gerade noch so stehenblieben, fallen in sich zusammen. Hänge, die dem Zittern damals standhielten, rutschen nun ins Tal. Und Menschen, die noch Hoffnung hatten, verzweifeln.

„Ich weiß nicht mehr, wie ich mein Kind vor all diesem beschützen soll“, sagt Mridu Shrestha, neben sich ihren kleinen Sohn. Der Zweijährige hat Mückenstiche am ganzen Körper, weil er seit Wochen in Zelten schläft. „Er weint seit dem Beben ununterbrochen und erschrickt jedes Mal, wenn er ein lautes Geräusch hört“, sagt sie. Saral Gurung, ebenfalls Bewohner von Kathmandu, fügt hinzu: „Ich bin müde. Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt nochmal aufraffen kann, um zu arbeiten.“

Das Erdbeben in Nepal und seine Folgen
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Zehntausende leben wie Shrestha und Gurung auf Gehsteigen, in Innenhöfen und Parks. Viele von ihnen hatten gerade erst die Zeltplanen zusammengefaltet und waren in ihre Häuser zurückgekehrt. Manche begannen mit dem Wiederaufbau ihrer Häuser.

Doch das heftige Nachbeben der Stärke 7,2 treibt sie erneut ins Freie - wo ihnen kein tonnenschwerer Beton oder ein Holzbalken auf den Kopf fallen kann. Dutzende Menschen kommen bei dem Nachbeben ums Leben, darunter laut Innenministerium vier Menschen, die einen Herzinfarkt erlitten.

„Die Menschen haben unglaublich viel Angst“, sagt Sunjuli Singh, die für die Hilfsorganisation World Vision in Nepal arbeitet. „Es ist so schwierig geworden, sich in seinem Zuhause behaglich und sicher zu fühlen“, ergänzt sie. „Alle in Nepal denken ständig an Erdbeben.“ Viele Bewohner des Himalaya-Landes erzählen, sie spürten immer wieder Erdstöße. Manchmal sei es wirklich ein Nachbeben, und manchmal zitterten nur die Beine. Oder der Kopf spiele verrückt.

Im Parlament in Kathmandu wird gerade über Geldzahlungen an die Opfer des ersten Bebens der Stärke 7,8 diskutiert, als die Decke des Gebäudes am Mittag plötzlich Risse bekommt. „Der Stuhl, auf dem ich saß, begann zu wanken“, sagt die Abgeordnete Pratikshya Tiwari. Alle seien bloß noch gerannt - sie selbst lief schnellstmöglich in den Garten, wo ihr Sohn spielte. „Ich dachte, wir würden alle sterben.“

Nach dem Erdstoß liegen sich Menschen auf den Straßen in den Armen. Viele weinen, andere zittern. Wer kann, ruft seine Familienmitglieder an, um sich nach ihnen zu erkunden - das Telefonnetz ist stundenlang völlig überlastet. „Ich dachte, die Nachbeben sollten vorbei sein“, sagt Ram Kumari Subba, die im Stadtteil New Baneshwar lebt. „Das ist so schrecklich, wir müssen das immer und immer wieder durchleben“, sagt die Großmutter.

Mitarbeiter von Hilfsorganisationen erzählen, dass vor allem die Kinder besonders unter der Dauerbelastung leiden. Ihnen stünden nun weitere Nächte im Freien bei Kälte und Regen bevor, sagt Friederike Leidreiter, Nothilfekoordinatorin von Terre des Hommes. „Wir machen uns Sorgen um die Kinder, die schon so viel durchgemacht haben“, sagt auch Rose Foley von Unicef. Ihr Kollege Kent Page fügt hinzu: „Die Katastrophe in Nepal ist noch nicht vorbei.“