Analyse Zieht Trump den Stecker? Spekulationen um US-Klimapolitik

Washington (dpa) - Der Klimawandel hat die USA längst erfasst. An der Ostküste steigt der Meeresspiegel an, für einige Gemeinden bedrohlich. In Alaska fürchten die Ureinwohner um ihre Nahrungsgrundlage, weil die Rentierherden ihr Verhalten ändern und Walrosse nicht mehr gefangen werden können.

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Schon 2030 könnte die Polarregion im Sommer eisfrei sein. Im US-Überseegebiet American Samoa beeinträchtigen die steigenden Meeresspiegel „alle Ökosystem und menschlichen Systeme“, wie die Inselregierung konstatiert. Auf Hawaii befürchten Wissenschaftler durch steigende Temperaturen eine Zunahme von Krankheiten wie Cholera und Dengue-Fieber.

Donald Trump sieht das nicht. Ob er sein Land tatsächlich entgegen der Ratschläge einer ganzen Schar von Experten aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zurückzieht, ist noch nicht klar. Er wolle seine Entscheidung in den nächsten Tagen bekanntgeben. Am Mittwoch, als erste Nachrichtenportale schon Vollzug meldeten, diskutierte der Präsident noch mit Außenminister Rex Tillerson zum Thema. Bereits bei der Debatte über den Verbleib im nordamerikanischen Handelsabkommen Nafta hatte Trump überraschend eine Kehrtwende vollzogen.

Der Präsident hat immer wieder betont, er wolle die Naturschönheiten der USA erhalten. Amerika sei nämlich great. Auf der anderen Seite will er aber auch: „Jobs, Jobs Jobs!“ Im Wahlkampf hatte der Matador landauf, landab seinen Wählern versprochen: „Wir werden uns aus dem Pariser Abkommen zurückziehen!“ Damit wollte er bis zu fünf Billionen Dollar sparen, die er für die Infrastruktur ausgeben will.

Das sind bei Lichte betrachtet alles holzschnittartige Darstellungen, die die Realität nur am Rande schrammen. Ökonomen rechnen Trump und seinen Leuten seit Monaten vor, dass der Verbleib wirtschaftlich sinnvoll ist. „Wenn wir es nicht schaffen, eine Volkswirtschaft aufzubauen, die wenig Kohlenstoff verbraucht, dann setzt das den Wohlstand in Amerika aufs Spiel“, heißt es in einem Brief an den Präsidenten, den die Chefs von 600 US-Unternehmen unterzeichnet haben - darunter Firmen wie Johnson&Johnson (Kosmetik) oder der Jeans-Hersteller Levi Strauss.

Trump steht dagegen mit einem schier uneinhaltbaren Wahlkampfversprechen in der Pflicht. Er machte den vielen Kohlearbeitern, die in den vergangenen Jahren ihre Jobs verloren hatten, Hoffnung auf die Rückkehr an ihre Arbeitsplätze. Selbst Kohlebosse glauben nicht, dass Trumps Politik irgendeine Zeche wieder zum Anlaufen bringt. Das Niveau früherer Jahre werde nicht wieder erreicht, sagt etwa Robert Murray, Chef der Murray Energy in Ohio.

Zu deutlich hat sich weltweit die Stimmung gegen die klimaschädliche Kohleverbrennung gedreht, zu einfach ist es inzwischen für US-Unternehmen auch, Unmengen an energetisch besserem und deutlich umweltfreundlicherem Erdgas aus dem Boden zu holen. In ehemaligen Kohlegegenden wie etwa Ohio spricht man schon von einem „neuen Goldrausch“. Im Öl-Land Texas schulen Ölarbeiter um - sie lernen mit Solartechnik umzugehen. Dass liberale Staaten wie Kalifornien oder New York auf Trumps Linie einschwenken ist ohnehin nicht zu erwarten.

Wenn Trump also den Stecker beim Pariser Abkommen zieht, dann ist es wohl eher ein Signal an die amerikanische Provinz, als eine an Fakten orientierte Umweltpolitik. Ein Signal, für das er erneut den Frontalzusammenstoß mit Verbündeten in Kauf nähme. Noch beim G7-Gipfel auf Sizilien hatten sechs Staats- und Regierungschefs mit Engelszungen auf ihn eingeredet, darunter Kanzlerin Angela Merkel.

Der Präsident hatte jedoch bereits mit der Ankündigung drastischer Kürzungen bei der Umweltagentur EPA und im Energieministerium seine umweltpolitische Linie vorgezeichnet. US-Kommentatoren sehen eine mögliche Entscheidung gegen Paris als Sieg für die Abteilung „Attacke“ im Weißen Haus - um den nationalistischen Berater Stephen Bannon und Trumps aggressiven Redenschreiber Stephen Miller. Vor allem auf dem flachen Land ist der Glaube an einen vom Menschen gemachten Klimawandel - auch mangels Aufklärung - nicht verbreitet.

Hinzu kommt: Die ersten vier Monate von Trumps Präsidentschaft sind nahezu desaströs verlaufen. Trump bekam praktisch nichts hin - sein Einreisestopp wurde von Gerichten zerpflückt, seine Gesundheitsreform steht vor dem Scheitern, seine Steuerpläne gelten nicht nur bei der Opposition als unrealistisch und nicht finanzierbar. Dazu kommt die quälende Russland-Affäre, bei der unter anderem Schwiegersohn Jared Kushner unter Beschuss geriet - die Einschläge erreichen damit den engsten Kreis um Trump, das Wort „Amtsenthebung“ fällt immer öfter.

Umfragen attestieren Trump inzwischen nicht mehr nur die schlechtesten Zustimmungswerte, die je ein Präsident zu diesem Zeitpunkt seiner Amtszeit erzielen konnte. Sie zeigen auch: Die Wählerbasis in den Arbeitergegenden des Mittleren Westens, die Trump lange Zeit geradezu hörig ergeben war, fängt an zu bröckeln. Unter Republikaner-Wählern halten demnach nur noch 75 Prozent zu Trump.

Für die Welt wäre eine Entscheidung der Amerikaner gegen das Klimaabkommen nach Darstellung der Europäischen Union verkraftbar. „Wenn sie sich zum Austritt entscheiden, wäre das enttäuschend, aber ich glaube wirklich nicht, dass es das Schicksal der Menschheit verändern würde“, sagte der für Energiefragen zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, am Mittwoch in Brüssel.

UN-Generalsekretär António Guterres übt sich derweil in Durchhalteparolen. „Wenn irgendeine Regierung den globalen Willen und den Bedarf für das (Pariser) Abkommen in Frage stellt, ist das für alle anderen Grund, sich noch stärker zusammenzutun, und auf diesem Pfad zu bleiben.“ Der Satz war unmissverständlich an den US-Präsidenten gerichtet.