10 Jahre Android Dieser Roboter hat die Welt erobert

Düsseldorf · Apple war früher da - aber erst Android machte das Smartphone zur Massenware. Heute vor zehn Jahren kam das erste Telefon mit dem Google-Betriebssystem heraus.

Bugdroid ist seit zehn Jahren das Maskottchen von Android. Wie das Betriebssystem auch ist er frei Verfügbar - darf also jederzeit genutzt, verändert und angepasst werden, sofern folgender Hinweis erfolgt: „Das Android-Roboter-Logo wurde aus einer von Google erstellten und geteilten Arbeit reproduziert oder geändert und wird gemäß den Bedingungen der Creative Commons3.0-Attributionslizenz verwendet.“

Foto: CC0 (Creative Commons)/Pixaby

Kennen Sie Bugdroid? Mit 86-prozentiger Wahrscheinlichkeit: Ja! Das, wofür der kleine, grüne Roboter steht, hat Ihr Leben grundlegend verändert. Essorgt dafür, dass Sie mit Ihrem Telefon Mails abrufen können. Den Kalender führen. Oder per Whatsapp die lieben Verwandten mit Urlaubsfotos neidisch machen.

Bugdroid ist seit zehn Jahren das offizielle Maskottchen von Android. Am 22. Oktober 2008 kam das erste Smartphone mit dem Betriebssystem in die Läden. Heute, zehn Jahre später, ist es mit Abstand das beliebteste: Rund 86 Prozent aller Geräte weltweit laufen Ende 2017 auf Android, hat das Analyse-Unternehmen Statista ermittelt. Auf Platz zwei folgt Apple mit seinem Betriebssystem iOS und einem Marktanteil von rund 14 Prozent. Alles andere ist Makulatur, statistisch null Prozent. Laut Untersuchung des Internet-Branchenverbands Bitcom besitzen 2017 rund 81 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren ein Smartphone. Wer hätte erwartet, dass es der kleine, grüne Kerl so weit bringen würde? Seine Geburt war vor allem eins – ein Ausdruck von Panik.

Es ist Januar 2007, als Apple-Chef Steve Jobs die Revolution ausruft. „Ein iPod, ein Telefon, ein Internet-Browser – das sind keine drei Geräte mehr“, verkündet er bei der Macworld Conference and Expo in San Fancisco: „Wir nennen es iPhone“ – und der Jubel kennt keine Grenzen.

Im Sommer 2007 kommt Jobs‘ Wunderwerk in den USA auf den Markt. Nach Apple-Angaben verkaufen sich in den ersten zwei Tagen 270.000 Exemplare. Bis Ende September sollen es laut Geschäftsbericht 1,389 Millionen Telefone sein. Da steht die Markteinführung in Europa im Spätherbst (Deutschland: 9. November 2007) erst noch bevor. Aber schon die US-Zahlen reichen, um etliche Firmenchefs nervös zu machen.

Am 5. November 2007 gründet sich die „Open Handset Alliance“. 22 Softwareunternehmen, Mobilfunkbetreiber, Telefonhersteller, Technik- und Marketing-Firmen warfen Wissen und Ressourcen zusammen, um Apple Paroli zu bieten. Auf der Liste der Gründungsmitglieder finden sich Namen wie T-Mobile, Ebay, Motorola, LG, Samsung oder HTC. Treibende Kraft: Suchmaschinenbetreiber Google. Die Idee: Ein offenes Betriebssystem, das alle Hersteller nutzen können und für ihre Geräte anpassen – exakt die gegenteilige Strategie zu Apple. Hier geht es um Exklusivität.

Der Name des Systems steht zu diesem Zeitpunkt schon fest: Google hatte 2005 eine kleine US-Firma namens „Android“ gekauft, die auf dem Gebiet der Handy-Dienste forschte und eigene Anwendungen entwickelte. Das bereits existierende Ur-Android war eigentlich für die Steuerung von Digitalkameras konzipiert. Jetzt geht die Arbeit in dem auf, was dann Android wird – ein Betriebssystem auf Basis der frei zugänglichen Linux-Plattform.

Etliche greifen zu – aber nicht alle: Platzhirsche wie Nokia und Blackberry halten sich raus. Nokia setzte auf sein hauseigenes Betriebssystem Symbian. Das hat einen komfortablen Marktanteil: Laut einem Bericht des Branchendiensts Heise vom 27. März 2007 beträgt er Ende 2006 rund 70 Prozent des Smartphone-Marktes, 2008 immerhin noch mehr als die Hälfte, während Apple sich auf knapp 9 Prozent hocharbeitet. Auch Blackberry – wegen der Volltastatur Liebling der Manager – glaubt fest ans eigene Produkt. Und Microsoft als weltgrößter Betreibssystem-Hersteller hat eigene Pläne, mit Windows den Smartphone-Markt aufzurollen.

Derweil nimmt Android Gestalt an: Irina Blok, Designerin bei Google, bekommt den Auftrag, ein Logo zu entwerfen. Einzige Vorgabe: Einen Roboter sollte es enthalten. Sie lässt sich von Science-Fiction-Spielzeug inspirieren, sieht sich Weltraumfilme an, wie sie sechs Jahre später der New York Times erzählt. Am Ende kommt die entscheidende Inspiration aus einer allzu menschlichen Ecke: Die Basis für den Entwurf bilden die weltweit genutzten Pictogramme für Männlein und Weiblein auf Toilettentüren: klare Strukturen, universell erkennbar, nur eben mit einem Roboterkörper, der an R2D2 aus Star Wars erinnert. Und Antennen, die an Ameisen (englisch: Bug) erinnern. Willkommen auf der Welt, Bugdroid!

Am 22. Oktober 2008 kommt das „T-Mobile-G1“ auf den Markt. Es stammt vom Hersteller HTC – und ist ganz anders als das stromlinienförmige iPhone: Volltastatur zum Rausschieben, klobige Symbole, Gehäuse aus Plastik. Immerhin: Im Gegensatz zum Apple-Konkurrenten kann es schon per GPS den Standort bestimmen. Mit 179 Dollar kostet es weniger als die Hälfte des iPhone-Preises von zunächst mindestens 499, kurz nach Markteinfühung dann 399 Dollar. Es schreibt Geschichte:

So sah das erste Android-Smartphone aus: Das T-Mobile-G1 kam am 22. Oktober 2008 heraus.

Foto: dpa/T-Mobile

Schon vor dem Verkaufsstart liegen 1,5 Millionen Bestellungen vor, berichtet damals unter anderem der Tagesspiegel unter Berufung auf die Fachzeitschrift „Computerwoche“: „Selbst die Nachbestellung, die T-Mobile beim taiwanesischen Hersteller HTC in Auftrag gegeben hat, reichte offenbar nicht aus, das Interesse an dem neuen Hightechtelefon zu befriedigen“, schreibt Kurt Sagatz. Apple habe die 1,5-Millionen-Marke erst nach mehr als zwei Monaten erreicht.

Danach geht alles schnell: Während im Februar 2009 das erste Android-Phone in Deutschland auf den Markt kommt, wird in den USA schon der Nachfolger vorgestellt: Das „HTC Magic“ verzichtet auf die ausklappbare Tastatur. Ein Jahr später hatten Motorola, Samsung und LG mit eigenen Android-Modellen nachgezogen.

Möglich macht die Geschwindigkeit vor allem die Offenheit des Systems: Weil Google sich in den Quellcode schauen lässt, können anderen Hersteller vergleichsweise problemlos aufspringen – und den Marktanteil von Android binnen kürzester Zeit in schwindelnde Höhen treiben.

Offenheit und Größe bringen jedoch Probleme: Von Anfang an sind die Android-Geräte deutlich anfälliger für Viren oder Trojaner als Apples iPhones. Im Sommer 2015 entdecken Techniker die bis dahin größte Sicherheitslücke: Ein Trojaner hat sich an mehr als 100 Apps in Googles offiziellem Play-Store angeheftet. „Stagefright“ spioniert Daten aus, bombardiert die Nutzer mit Werbung, bringt sie dazu, noch mehr verseuchte Software herunterzuladen, das sogar kostenpflichtig, getarnt als wichtige Updates. Betroffen: eine Milliarde Geräte weltweit. Nur wenige Monate später bedroht ein neuer Schädling mehr als 900 Millionen Android-Geräte weltweit.

Bei Stagefright stopft Google die Lücke im System zumindest für neuere Android-Versionen und verteilt ein Update an andere Hersteller. Als Konsequenz bieten Google und Samsung fortan monatliche Sicherheitsupdates an – für den Fachjournalisten und Android-Kritiker Ron Amadeo nur ein Tropfen auf den heißen Stein: Er rechnet vor, dass die ersten Stagefright-Updates gerade mal 2,6 Prozent der Nutzer erreichen – und nimmt das als den endgültigen Beweis dafür, wie kaputt die Android-Welt eigentlich sei. „Zu viele Köche“ wurschtelten in Googles System-Küche vor sich hin. Die Strategie führe zwangsläufig ins Desaster.

Denn die Hersteller sind selbst das Schließen von Sicherheitslücken verantwortlich – und können entscheiden, wann, ob und wie lange sie Updates anbieten. Zwei Jahre sind bei Google und Samsung Standard. Das ist jedoch für andere nicht bindend.

2016 reicht es der größten niederländischen Verbraucherschutz-Organisation Consumerbond: Sie zerrt Samsung, inzwischen Branchen-Primus, vor Gericht. Die Telefone sollen zuverlässiger Updates erhalten – und länger: Mindestens vier Jahre nach Veröffentlichung oder zwei Jahre ab Kaufdatum bei älteren Geräten. Die Verbraucherschützer verlieren. Das zuständige Gericht in Den Haag befindet, Zeiträume für Updates könne man nicht pauschal festlegen. Da spielten einfach zu viele Faktoren hinein.

In der Unübersichtlichkeit der Android-Welt erkennen 2018 einige Hersteller eine Chance: Während die meisten Smartphones mit angepassten Varianten der Android-Version 8 mit dem Beinamen „Oreo“ auf den Markt kommen, bildet sich eine kleine Parallelwelt. Sie heißt Android One.

Die Telefone laufen auf einer nicht angepassten und direkt von Google entwickelten Android-Variante von „Oreo“. Eigentlich war die nur für den Vertrieb in Entwicklungsländern gedacht. Doch auch in Industrienationen kann man damit offenbar Kunden locken. Vorteile: Google kann Updates und Sicherheits-Pakete direkt durchreichen, ohne Wartezeit – und garantiert zwei Jahre lang die entsprechende Versorgung. Unter den Herstellern, die sich Android One verschrieben haben, befindet sich ein bekannter Name, der früher zum Alltag gehörte, aber schon seit Jahren von der Bildfläche verschwunden ist: Nokia. Blackberry gibt es übrigens auch noch: Unter diesem Namen werden seit 2011 in China Smartphones hergestellt, die zum Teil noch physische Quertz-Tastaturen haben. Technisch hat auch hier schon lange der kleine, grüne Roboter übernommen.