Zum Ersten, zum Zweiten,... Alt-Aktien können viel Geld bringen

Würzburg (dpa) - Es ist nur ein leicht vergilbtes Blatt Papier. Eine alte Anleihe, die an der Börse nichts mehr wert ist.

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Und doch ist das historische Wertpapier mit der Originalunterschrift des US-amerikanischen Großindustriellen Andrew Carnegie ein ganz besonderer Schatz: Es ist mindestens 25.000 Euro wert.

„Diese Anleihe aus dem Jahr 1901 hat alle Eigenschaften, die ein Top-Stück ausmacht. Sie ist selten, fast 117 Jahre alt und trägt die Originalunterschrift des Inhabers“, sagt Matthias Schmitt. Er ist Vorstand des Historischen Wertpapierhauses (HWPH), das am Samstag in Würzburg diese und weitere fast 930 alte Aktien- und Anleihezertifikate an die Meistbietenden versteigert.

Die Anleihe der „United States Steel Corporation“ gilt Schmitt zufolge als eines der zehn bedeutendsten Papiere weltweit. Doch es werden am Samstag auch deutlich günstigere Stücke verkauft. Der Markt der Sammler ist klein. Expertenschätzungen zufolge gibt es weltweit gerade einmal 5.000 bis 10.000 Sammler mit einem klaren Sammelziel, etwa die Hälfte von ihnen kommt aus Deutschland. Geschätzt 1.000 bis 2.000 davon kaufen regelmäßig bei Auktionen.

Unter den Interessenten für historische Wertpapiere sind längst nicht mehr nur ältere, reiche Männer aus Deutschland. „Da ist ein Umbruch da“, sagt Volker Malik, Vorstand der Scripovest AG. Die Gesellschaft ist einer der größten Einzelhändler weltweit für historische Wertpapiere. Mittlerweile seien auch neue Reiche aus Russland und Asien in den Markt gestoßen. Und die wollen nicht einfach nur wertvolle alte Aktien sammeln. „Die wollen Dinge, die sie auch als Investment nutzen können“, so der Experte aus dem bayerischen Rothenburg ob der Tauber.

Und die Wertentwicklung der Altaktien in den vergangenen Jahren gibt diesem Wunsch Nahrung: Einem Index zufolge, der sich aus 100 alten Aktien aus unterschiedlichen Ländern, Branchen und Ausgabezeiträumen zusammensetzt, hat sich der Wert dieser sogenannten Nonvaleurs in den vergangenen fünf Jahren um 25,4 Prozent erhöht. Eine durchaus beachtliche Rendite. „Aber wie bei jeder anderen Anlage auch, muss man natürlich vorsichtig sein und vor einer Investition den Markt analysieren“, so Malik weiter.

Auch HWPH-Vorstand Schmitt gibt zu Bedenken, dass sich der Wert von historischen Wertpapieren vor allem dann steigert, wenn sie in einem Kontext, also zu einem bestimmten Sammelgebiet wie Schifffahrt, Eisenbahn oder Unterfranken, gesammelt werden. „Die, die mit Leidenschaft rangehen und ein Thema raussuchen, das sie mögen und eine komplette Sammlung aufbauen, sind meist die besseren Kapitalanleger als die, die das nur auf Kapital aufbauend machen.“

Wer primär zur Kapitalanlage sammele, suche eher Schnäppchen. „Die Konsequenz ist, dass die dann Stücke kaufen, die häufiger da sind. So besteht tendenziell die Gefahr, dass die Papiere sogar eher noch an Wert verlieren“, erklärt Schmitt. Seltene Papiere dagegen könnten eine Wertsteigerung erfahren.

Zuletzt hätten vor allem Papiere aus Russland und China geboomt. Aus Deutschland seien derzeit auch alte Aktien aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gefragt, nicht mehr nur die Gründeraktien. In Schmitts Versteigerung sei beispielsweise auch eine von Versandhandel-Gründer Michael Otto unterschriebene Aktie im Angebot. Gerade einmal 46 Jahre alt und doch liegt das Mindestgebot für das relativ schmucklose Papier bei 1.250 Euro. „Das zeigt, wo heute die Musik spielt; wo heute die Trends hingehen.“

Gefunden hatte Schmitt die Aktie in der Kiste eines Sammlers mit vielen eher wertlosen Papieren. Experten gehen davon aus, dass noch viele Schätze in deutschen Haushalten schlummern. „Von allen Wertpapieren, die je in Deutschland gedruckt worden sind, kennt der Sammlermarkt gerade einmal 20 Prozent“, sagt Schmitt dazu. Er rät deshalb jedem, der auf dem Dachboden, in Opas altem Schließfach oder Vaters Aktenordner alte Aktien findet, die von einem Auktionshaus schätzen zu lassen. „Es sind immer wieder Sachen dabei, die richtig, richtig selten sind. Wo Sammler froh sind, diese Stücke zu bekommen.“

Zuletzt wurde der Markt durch den sogenannten Reichsbankschatz mit historischen Aktien quasi überschwemmt. 30 Millionen Wertpapiere der ehemaligen Reichsbank lagerten zu DDR-Zeiten in Kellern in Ost-Berlin. Nach dem Mauerfall wurden die Tresore geöffnet und die Papiere aus der Zeit vor 1945 als Sammlerstücke verwertet. Zuständig ist das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV).

Das versteigerte 2003 bis 2009, 2015 und 2016 zunächst die deutschen Wertpapiere, die 90 Prozent des Bestandes ausmachten. Etwa drei Millionen meist ausländische Wertpapiere aus dem „Reichsbankschatz“ warten noch auf ihre Verwertung. Im Herbst diesen Jahres sollen etwa 7000 schweizerische Papiere unter den Hammer kommen. Acht Millionen Euro wurden dem BADV zufolge so bislang eingenommen. Das Geld fließt in den Entschädigungsfonds für Opfer des NS-Regimes und des DDR-Regimes.

Für die Sammler historischer Wertpapiere war die Versteigerung des „Reichsbankschatzes“ Fluch und Segen zugleich. So seien zunächst vor allem extrem häufige deutsche Papiere auf den Markt gekommen. „Das hat bei einigen Stücke zu deutlichen Preisrückgängen geführt“, sagte Schmitt dazu. In späteren Auktionen kamen dagegen seltenere Papiere unter den Hammer. Und die seien „bei Sammlern begehrt, da die Verfügbarkeit genau bekannt und sehr gering ist“.