Arbeitslosigkeit auf niedrigstem Stand seit 19 Jahren
Nürnberg (dpa) - Trotz des harten Winters ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland zum Jahresende auf den tiefsten Stand seit 19 Jahren gesunken. Die Zahl der Arbeitslosen lag zwar im Dezember erstmals seit zwei Monaten wieder über der Drei-Millionen-Marke.
Insgesamt waren 3 016 000 Männer und Frauen erwerbslos - 85 000 mehr als im November 2010, aber rund 260 000 weniger als vor einem Jahr, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag in Nürnberg mit. Die Arbeitslosenquote nahm um 0,2 Punkte auf 7,2 Prozent zu. Vor einem Jahr hatte sie noch bei 7,8 Prozent gelegen.
Zufrieden zeigte sich BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise auch mit der Arbeitsmarktbilanz für das Gesamtjahr 2010. Die durchschnittliche Arbeitslosigkeit sei um 179 000 auf 3,244 Millionen und damit auf den niedrigsten Stand seit 18 Jahren gesunken. Die Arbeitslosenquote ging von 8,2 Prozent auf 7,7 Prozent zurück.
„Das war eine bessere Entwicklung als wir noch vor 12 Monaten erhofft hatten“, räumte Weise ein. Die Arbeitslosigkeit sei derzeit so gering wie zu Beginn der 90er Jahre. „Inzwischen sind nur noch wenige Spuren der Krise spürbar“ stellte er zufrieden fest.
Ganz unterschiedlich hätten davon die verschiedenen Gruppen von Arbeitslosen profitiert. So sank die Zahl der von den Jobcentern betreuten Arbeitslosen im Jahresdurchschnitt 2010 nur um 63 000 oder drei Prozent. Die Zahl der übrigen Jobsucher habe sich hingegen um 116 000 oder zehn Prozent verringert, erläuterte die Bundesagentur in ihrer Jahresbilanz 2010.
Für das neue Jahr erwartet Weise einen noch stärkeren Rückgang der Arbeitslosigkeit als 2010. Aller Voraussicht nach werde die Zahl der Erwerbslosen 2011 im Schnitt auf drei Millionen sinken; dies wären rund 240 000 weniger als im Jahr 2010. „Der gute Arbeitsmarkt 2010 ist eine gute Grundlage für eine erwartete gute Entwicklung im Jahr 2011“, sagte er. Allerdings gebe es auch Risiken, wie etwa die Schuldenkrise in der EU. Als Herausforderungen nannte Weise die demografische Entwicklung und den zunehmenden Fachkräftemangel.
Auch Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) blickt trotz der Zunahme der Arbeitslosigkeit im Dezember optimistisch ins Jahr 2011. Auch wenn jetzt die Dynamik beim Abbau der Arbeitslosigkeit etwas abgenommen habe, sei sie insgesamt zuversichtlich, sagte sie am Dienstag in Berlin. Trotz des harten Wintereinbruchs erweise sich der Arbeitsmarkt als „robust“.
Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sieht das Ziel der Vollbeschäftigung in „realistischer Reichweite“. Die deutsche Wirtschaft habe den Weg aus der Krise gefunden, der Grundstein für ein nachhaltiges Wachstum sei gelegt. Zwar sei es im Dezember wieder zu einem Anstieg der Arbeitslosenzahl gekommen. „Der Dezemberfrost wird die Konjunktursonne aber nicht verhindern“, betonte Brüderle.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sieht die Probleme am Arbeitsmarkt lange nicht gelöst. „Es ist absurd, vor dem Hintergrund der drei Millionen offiziell registrierten Arbeitslosen von Vollbeschäftigung zu schwärmen“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki am Dienstag in Berlin. 1,4 Millionen zusätzliche Arbeitslose befänden sich in meist perspektivlosen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen. Jugendliche, Langzeitarbeitslose, Migranten und ältere Arbeitnehmer profitierten derzeit am wenigsten vom Aufschwung.
Für den überdurchschnittlich starken Anstieg der Arbeitslosenzahlen im Dezember machte Weise auch den Umstand verantwortlich, dass viele befristete Arbeitsverträge für gewöhnlich zum Jahresende ausliefen. Hinzu komme, dass viele Jobcenter vorausgreifend auf anstehende Einsparungen bereits Gelder für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bei Ein-Euro-Jobs gestrichen hätten, erläuterte BA-Vorstandsmitglied Henrich Alt. In diesem Jahr stünden rund 20 Prozent weniger Mittel für Arbeitsmarktprogramme zur Verfügung. Die Bundesregierung hatte die Mittel gekürzt.
Als Hinweise auf die stabile Lage am Arbeitsmarkt sieht die Bundesagentur die weiter steigende Zahl von Arbeitsplätzen. So sind binnen Jahresfrist - von Oktober 2009 bis Oktober 2010 - fast 500 000 neue sozialversicherungspflichtige Stellen bei Behörden und Unternehmen entstanden - 283 000 davon waren Vollzeitstellen. Im November gingen den Angaben zufolge 28,28 Millionen Männer und Frauen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Die Zahl aller Erwerbstätigen lag Ende November bei 41,09 Millionen. Inzwischen kämen die meisten Branchen um die Schaffung neuer Arbeitsplätze nicht mehr herum; lediglich in der Industrie und der öffentlich Verwaltung gingen noch Jobs verloren.