Arbeitslosigkeit auf niedrigstem Stand seit 20 Jahren
Nürnberg/Berlin (dpa) - Nach einem Rekordjahr auf dem Arbeitsmarkt sind die Erwartungen von Bundesagentur und Bundesregierung für das Jahr 2012 eher gedämpft. Im neuen Jahr werde die Dynamik beim Abbau der Arbeitslosigkeit wohl etwas nachlassen.
Dennoch werde die Erholung anhalten, falls es nicht zu einem Einbruch der Weltwirtschaft kommt, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Dienstag in Berlin. Auch der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, warnte: Die währungs- und finanzpolitischen Risiken bestünden auch noch 2012.
Trotz wachsender konjunktureller Verunsicherung war die Zahl der Arbeitslosen im Jahr 2011 auf ein Rekordtief gesunken. Im Schnitt waren im vergangenen Jahr 2,976 Millionen Männer und Frauen erwerbslos - dies seien so wenig wie zuletzt vor 20 Jahren, berichtete Weise bei der Präsentation seiner Jahresbilanz für 2011. Im Vergleich zu 2010 sank die durchschnittliche Arbeitslosenzahl um 263 000. Die Arbeitslosenquote lag 2011 bei 7,1 Prozent nach 7,7 Prozent im Jahr davor.
Weise zeigte sich zufrieden: Die Arbeitslosquote in Deutschland sei inzwischen nur halb so hoch wie im europäischen Durchschnitt. Dies zeige, wie gut der deutsche Arbeitsmarkt die finanz- und währungspolitischen Herausforderungen des vergangenen Jahres gemeistert habe. Von der Leyen sprach am Dienstag von einer grundsoliden Lage auf dem Arbeitsmarkt. Sollte sich die Lage eintrüben, sei die Bundesregierung bereit, die erfolgreichen Kriseninstrumente wie das Kurzarbeitergeld rasch wieder zu aktivieren.
Zum Jahresende 2012 präsentierte sich der Arbeitsmarkt allerdings noch so robust wie in den Vormonaten: Nach BA-Angaben waren im Dezember 2011 deutschlandweit 2,78 Millionen Menschen ohne Job; das waren zwar 67 000 mehr als im November 2011, aber 231 000 weniger als im Jahr zuvor. Zieht man jahreszeitliche Faktoren ab, dann ist die Erwerbslosenzahl im Weihnachtsmonat sogar kräftig gesunken - und zwar um 22 000 auf 2,888 Millionen.
Auch gemessen an der Erwerbstätigenstatistik, dem statistischen Spiegelbild der Arbeitslosenzahlen, scheint der Arbeitsmarkt zum Jahresende nicht an Schwung verloren zu haben. Danach waren im November 41,61 Millionen Menschen in Arbeit; das sind 521 000 mehr als vor einem Jahr. Noch stärker wuchs die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze binnen Jahresfrist - und zwar um 719 000 auf 29,02 Millionen zuletzt im Oktober.
Unterdessen hat sich auch die Kassenlage der Bundesagentur weiter entspannt. Statt des erwarteten Milliarden-Defizits hat die Bundesbehörde 2011 überraschend einen kleinen Überschuss erwirtschaftet, wie Weise mitteilte. Unter dem Strich blieben der Bundesbehörde am Jahresende 70 Millionen Euro. Ursache dafür sei aber im Wesentlichen ein Sondereffekt: Neben gestiegenen Beitragseinnahmen profitiere die Bundesagentur von einer Rückerstattung der Bundesregierung von 469 Millionen Euro.
Geradezu euphorisch gab sich am Dienstag Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP): „Das Jahr 2011 kann als das mit Abstand erfolgreichste Jahr für die Erwerbstätigen im wiedervereinigten Deutschland bezeichnet werden“, sagte der FDP-Chef am Dienstag in Berlin. Nach Ansicht der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sind diese Erfolge einer „differenzierten Tarifpolitik“ und wichtigen Reformen am Arbeitsmarkt zu verdanken.
Ungleich kritischer sehen dagegen die Berliner Oppositionsparteien die aktuelle Arbeitsmarktlage. So sieht der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, den Jobaufschwung um den Preis prekärer Arbeitsverhältnisse erkauft. Deutschland brauche eine neue Ordnung am Arbeitsmarkt, die faire Löhne gewährleiste. Vor einem „Boom der Billigjobs“ warnten auch die Linken im Bundestag. Noch immer könnten viele von ihrer Arbeit nicht leben. Die Grünen im Bundestag halten es für bedenklich, dass fast eine Millionen Menschen seit mindestens einem Jahr einen Job suchen.