Bilanz Bahn-Bilanz: Gute Zahlen bei gutem Wetter
Bahnchef Grube präsentiert eine scheinbar positive Halbzeitbilanz - Massive Investitionen in Qualität und Sicherheit
Berlin. Alles halb so schlimm? Nach herben Verlusten im letzten Jahr konnte Bahn-Chef Rüdiger Grube am Mittwoch erstmals wieder positive Geschäftszahlen für das erste Halbjahr 2016 verkünden. Und auch neue Passagierrekorde. Doch gibt es große Zweifel, ob die Wende nachhaltig ist.
Bei Lichte betrachtet ist nur die Ertrag besser als 2015. Er stieg um 13 Prozent auf rund eine Milliarde Euro bei einem gleichbleibenden Umsatz von 20 Milliarden.
Ausbleibende Streiks und das gute Wetter spielten dabei eine zentrale Rolle, dazu höhere Gewinnmargen bei der Güter-Tochter Schenker und dem Auslandsgeschäft von DB-Arriva, erklärten die Bahn-Chefs selbst. Im Inland aber liege der Ertrag "nach wie vor unterhalb der Kapitalkosten", wie Finanzvorstand Richard Lutz einräumte. Der Grünen-Verkehrspolitiker Matthias Gastel sagte unserer Redaktion, die Bilanz überdecke, "dass die wirtschaftliche Lage des Unternehmens insgesamt hochkritisch ist".
Gastel bezog sich auf die Tatsache, dass wegen der hohen Investitionskosten und der an den Bund abgeführten Dividende auch im ersten Halbjahr 2016 ein Finanzierungsminus von 660 Millionen Euro blieb - die Schulden stiegen entsprechend auf 18,1 Milliarden Euro an. Gerade stufte Standard&Poors die Kreditwürdigkeit des Konzerns leicht herab.
Und der geplante Verkauf von Anteilen der vor allem in Großbritannien aktiven DB-Arriva, der die Kasse füllen sollte, fällt in das ungünstige Umfeld des "Brexit". Man werde die Situation an den Finanzmärkten sorgsam beobachten, sagte Grube. Mit anderen Worten: Womöglich muss die Bahn warten, bis die Preise wieder steigen.
Licht und Schatten auch bei den operativen Zahlen. So stieg die Zahl der Fahrgäste im Fernverkehr im ersten Halbjahr zwar um zehn Prozent auf 66,7 Millionen, ein neuer Rekord. Zum Teil wurde er aber mit Supersparpreis-Tickets erkauft. Im Regionalverkehr war die Verkehrsleistung der Bahn um 3,3 Prozent rückläufig - man verlor Ausschreibungen an private Wettbewerber, die jetzt schon fast 30 Prozent des Verkehrs betreiben.
Jetzt sollen eigene regionale Bahn-Gesellschaften gebildet werden, um sich mit günstigeren Kostenstrukturen um die Aufträge bewerben zu können. Auch bei DB Cargo gab es einen Rückgang um 3,3 Prozent.
Auf der anderen Seite stehen große Investitionen in Material und Technik. Hinzu kommen kurzfristige Ausgaben zur Erhöhung der Sicherheit gegen Terroranschläge, die Grube ankündigte. 500 neue Sicherheitskräfte sollen die vorhandenen 3.700 ergänzen. In die Videoüberwachung werden 85 Millionen Euro investiert.
Pünktlichkeit und Komfort sollen mit der "Qualitätsoffensive 2020+" gesteigert werden. Alle ICE-Züge wurden bis zum Juni einer Grundüberholung unterzogen, die IC sollen bis September folgen. Zum Herbst-Fahrplan soll der neue ICE 4 eingeführt werden, zudem soll dann freies W-Lan auch in der zweiten ICE-Klasse kommen.
Und die Pünktlichkeit hat man auch gesteigert. Dank der Arbeit von sogenannten "Knotenbahnhof-Teams" konnte die Abfahrt-Pünktlichkeit in Dortmund, Köln, Leipzig und Stuttgart um 15 bis 18 Prozentpunkte gesteigert werden, und auch an den anderen wichtigen Knoten wurde es besser. Pünktlich abfahren bedeutet aber nicht pünktlich ankommen. Insgesamt sind jetzt 78,4 Prozent der Fernzüge zur angegebenen Zeit am Ziel. Vor einem Jahr waren es 77 Prozent. Grubes Qualitätsoffensive komme "zu spät, und es ist nicht klar, ob sie tatsächlich finanzierbar ist", sagte der Grünen-Politiker Gastel.
Er appellierte an Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der letzte Woche überraschend geäußert hatte, Gewinnmaximierung sei nicht das Wichtigste im Schienenverkehr. Die Bahn könnte die riesigen Investitionen nicht allein stemmen, so Gastel. Der Bund müsse seine Dividenden-Anforderungen an das Unternehmen reduzieren und "mehr Verantwortung für seinen Konzern übernehmen", forderte der Grünen-Politiker.