Weiche ruft selber Techniker Bahn nutzt Digitaltechnik gegen Pannen

Hannover (dpa) - Eben auf der App gucken, wo die Weiche klemmt: Mit digitaler Technik will die Deutsche Bahn die für Reisende ärgerlichen Störungen an ihrem Schienennetz bekämpfen, die für rund ein Drittel aller Verspätungen und Ausfälle von Zügen verantwortlich sind.

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„Infrastruktur 4.0“ nennt die Bahn das Vorhaben, bei dem die Weichen an eine Art Dauer-EKG angeschlossen werden.

Sensoren sollen bis 2020 an 30 000 Weichen bundesweit installiert sein und über die reguläre Wartung hinaus Alarm schlagen, noch bevor es zu einer Störung kommt. Erfolgversprechendes Pilotprojekt im Norden ist der Hauptbahnhof Hannover, wo wichtige Weichen beim Techniker Alarm schlagen, idealerweise ehe sie ausfallen.

In den drei Ampelfarben grün, gelb und rot sind die Weichen auf dem Tablett-Computer mit der App entsprechend ihres Status dargestellt. „Das ist ein Frühwarnsystem, wir können Störungen an Weichen um bis zu 50 Prozent reduzieren“, sagt Karsten Prautzsch, Diagnose- und Analyse-Referent bei der Bahn. Und das soll helfen, die Pünktlichkeit der Züge, die im ersten Halbjahr auf mehr als 81 Prozent gestiegen ist, noch zu verbessern.

Damit ein Zug an einer Weiche abbiegt oder geradeaus fährt, wird ein Schienenstück, die sogenannte Weichenzunge, nach rechts oder links bewegt, und zwar von einem Elektromotor. Dessen Kraftaufwand messen und übermitteln die Sensoren. Erreicht oder überschreitet der benötigte Stellstrom einen vorher festgelegten Grenzwert, deuten sich Probleme an. Gelb oder rot werden diese Weichen in der App markiert.

„Die Diagnose zielt bis auf einzelne Bauteile, das ist ein lernendes System“, meint Prautzsch. Aus der App lässt sich eine Meldung für den Techniker generieren, dieser kann über ein mobiles Endgerät den Auftrag dazu abgerufen.

Vor Einführung des neuen Diagnosesystems DIANA wurden die Weichen - mit sechsstelligen Beschaffungskosten ein teures Bauteil im Schienennetz - in einem festen Turnus gewartet, je nach Belastung mehr oder weniger häufig. Den vorgeschriebenen Prüfrhythmus gibt es weiterhin, ergänzt aber um die Wartung zwischendurch, wenn die Messwerte auf drohende Probleme hinweisen. In das Diagnosesystem investiert die Bahn bundesweit und einmalig einen zweistelligen Millionenbetrag.

So simpel wie ein Laie vermuten könnte, ist das Nachrüsten der Weichen mit der neuen Technik übrigens nicht. „Jede Weiche ist ein eigenes Individuum“, umschreibt Bezirksleiter Samuel Schuster den Umstand, dass kaum eine der Abzweigstellen baugleich mit der anderen ist. „Ein alteingesessener Weichenmechaniker hört und kennt seine Weichen.“ Die zur digitalen Überwachung nötige Optimalkurve, was den Kraftaufwand des Motors angeht, kann der Bezirksleiter dann auch für jede Weiche individuell austarieren und festlegen. „Jede Weiche entwickelt ein Eigenleben.“

Trotz Digitaloffensive kann die Bahn aber nicht ganz auf das Eisenbahnergeschick aus Großvaters Zeiten verzichten. Auf Regionalstrecken werden Weichen und Signale in etlichen Stationen nämlich weiterhin mit mechanischer Technik per Muskelkraft und Drahtzugleitung bedient. „Der Fahrdienstleiter merkt dann am Hebel, wenn eine Weiche sich schwerer bewegt.“

Dass die Bahn im Bemühen um mehr Qualität und Verlässlichkeit ihre Technik noch intensiver in den Blick nimmt, kommt beim Fahrgastverband Pro Bahn gut an. „Das ist sehr, sehr wichtig, dass man vorausschauend repariert und wartet“, sagte Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann. Hilfreich seien dabei neue Prognosesysteme, die nicht nur bei Weichen, sondern auch bei Zugtoiletten genutzt werden können. Denn einfach vorsorglich die Wartungsintervalle zu verkürzen, würde die Bahn unbezahlbar machen.