Bahn-Streiks führen zu massiven Behinderungen

Berlin (dpa) - Verspätungen, Zugausfälle, frierende Fahrgäste auf Bahnsteigen: Mit ihrer ersten Warnstreikwelle hat die Lokführergewerkschaft GDL den Zugverkehr massiv gestört. Laut Bahn waren Millionen Kunden betroffen.

GDL-Chef Claus Weselsky sprach von 80 Prozent Zugausfall am frühen Morgen und einem „vollen Erfolg“ für die Lokführer. Die GDL droht jetzt mit noch heftigeren Aktionen: „Wir können auch mehr. Wir können auch länger“, sagte Weselsky.

Wann die Lokführer das nächste Mal streiken wollen, ist unklar. Man warte auf verbesserte Angebote der Arbeitgeber. Mit neuen Arbeitsniederlegungen schon in den nächsten Tagen ist wohl nicht zu rechnen: Man werde „der Arbeitgeberseite Zeit geben, sich den Streik noch mal eindrucksvoll vor Augen zu führen“, sagte Weselsky. In den nächsten Tagen wird die GDL an ihre Mitglieder die Wahlzettel für die Urabstimmung über einen unbefristeten Streik versenden.

Die GDL will einheitliche Tarifstandards für rund 26 000 Lokführer in der gesamten Bahnbranche durchsetzen. Ein Kernpunkt sind einheitliche Einkommen auf dem Niveau des Marktführers Deutsche Bahn (DB) auch bei privaten Konkurrenten.

Die Bahn warf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer Streik-Aktionen ohne Augenmaß vor. Dem Unternehmen sei jede Chance genommen worden, in irgendeiner Form Vorkehrungen zu treffen, „um zumindest die Auswirkungen abmildern zu können“, sagte Personenverkehrs-Vorstand Ulrich Homburg. Als Schwerpunkte der Streiks nannte er die S-Bahnen, vor allem in Berlin, Stuttgart, Nürnberg, dem Rhein-Main-Gebiet, aber auch in München und Hamburg.

In Nordrhein-Westfalen waren laut Bahn besonders S-Bahnen im Rheinland und im Ruhrgebiet betroffen. Zudem sei deutschlandweit etwa ein Drittel der Fernverkehrszüge von den Streikaktionen betroffen gewesen. Empört zeigte sich Homburg über den Ausstand bei der S-Bahn Berlin: „Wie man dafür Verständnis in der Bevölkerung erreichen will, ist mir ein Rätsel“. Wegen Technik-Problemen, für die vor allem das Unternehmen selbst verantwortlich gemacht wird, kann die S-Bahn seit mehr als einem Jahr nur einen eingeschränkten Verkehr bieten.

Die sechs großen Konkurrenten der Deutschen Bahn wollen nach dem Warnstreik der Lokführergewerkschaft GDL vorerst kein neues Angebot machen. „Wir sitzen am Tisch und warten, dass die Tür wieder aufgeht und die GDL zurückkommt“, sagte ein Sprecher der Unternehmen Abellio, Arriva, Benex, Keolis, Veolia und Hessische Landesbahn am Dienstag in Hamburg. Es gebe kein neues Angebot, da schon mehrmals nachgebessert worden sei. Die unterschiedlichen Positionen rechtfertigten Streiks „in keinster Weise“, sagte Verhandlungsführerin Ulrike Riedel.

Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber nannte es widersinnig, seinen Konzern zu bestreiken. Die Deutsche Bahn erfülle die Forderungen der GDL bereits weitgehend. Weber forderte die Gewerkschaft zur Rückkehr an den Verhandlungstisch auf.

Die viel größere Konkurrenzgewerkschaft EVG warf der GDL vor, sie wisse „oft gar nicht von den Problemen der Lokführer, deren Interessen sie angeblich vertreten will“. So habe die GDL bei Güterverkehrsunternehmen Arbeitsbedingungen akzeptiert, „die zur Überlastung von Lokführern in den von ihr tarifierten Betrieben führen“, kritisierte EVG-Chef Alexander Kirchner. In Wirklichkeit gehe es der GDL nur um Macht.

Die Bahn setzte am Dienstag mehrere hundert zusätzliche Mitarbeiter ein und schenkte an wartende Reisende Tee und Kaffee aus. Im Fernverkehr sollte sich der Betrieb bis zum Abend allmählich wieder normalisieren. Es dauere einige Stunden, bis betroffene Züge an den vorgesehenen Einsatzorten wieder zur Verfügung stünden, hieß es. Regionalzüge und S-Bahnen fuhren am Nachmittag schon wieder nach Plan.