Bahnchaos: Netzagentur droht mit Zwangsgeld
Berlin/Mainz (dpa) - Die Bundesnetzagentur droht der Bahn wegen der Zugausfälle im Mainzer Stellwerk mit einem Zwangsgeld von einer Viertelmillion Euro.
Die Bahntochter DB Netz AG müsse unverzüglich geeignete Maßnahmen ergreifen, damit die Probleme im Betrieb beseitigt würden, forderte sie in einem Bescheid. Ein Sprecher der Bundesnetzagentur in Bonn bestätigte am Donnerstag einen entsprechenden Bericht des „Handelsblatt“ (Freitag). Nach Angaben des Sprechers hatten sich vor Mainz bereits private Verkehrsunternehmen beschwert, dass es anderswo zu Zugausfällen gekommen sei. Die Netzagentur hatte insgesamt acht Standorte mit Problemen genannt.
Der Bund will der Bahn auch nach der Einigung mit der Eisenbahngewerkschaft weiter auf die Finger schauen. Bei der nächsten Aufsichtsratssitzung am 18. September solle die Bahn Auskunft geben, ob Probleme wie am Mainzer Hauptbahnhof bundesweit vorkommen könnten, sagte ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums auf Anfrage. Die Pläne von Bahn und Eisenbahngewerkschaft zur Überprüfung des Einsatzes von Personal wertete er positiv. Das Thema bleibe aber auf der Tagesordnung.
Die Bahn und die Eisenbahngewerkschaft EVG hatten in Frankfurt am Mittwoch vereinbart, alle Personalplanungen für das kommende Jahr mit den Beschäftigten zu überprüfen. „Wir haben die Reset-Taste gedrückt“, erklärte EVG-Chef Alexander Kirchner anschließend. Überstunden sollen möglichst komplett abgebaut, gewährte Urlaubs- und Ruhetage eingehalten werden. Konzernweit seien 8 Millionen Überstunden und 9 Millionen Stunden ausstehender Urlaub aufgelaufen. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber sagte: „Wir haben uns vorgenommen, gemeinsam daran zu arbeiten, dass sich ein solches Debakel nicht wiederholt.“ Der Prozess werde zeigen, wo Neueinstellungen notwendig seien.
Der Anlass waren Zugausfälle und Umleitungen am Mainzer Hauptbahnhof, weil dort zunächst rund die Hälfte der Fahrdienstleiter wegen Urlaubs und Krankheit gefehlt hatte.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Versagen vor. „Sein Staatssekretär hat offensichtlich im Bahn-Aufsichtsrat alle Warnungen von Arbeitnehmervertretern vor massiven Personalengpässen ignoriert“, sagte Gabriel der „Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen“ (HNA) aus Kassel. Ramsauer halte außerdem daran fest, pro Jahr 500 Millionen Euro der Bahn in den Bundeshaushalt fließen zu lassen. Der Verkehrsminister hatte Vorwürfe bereits zurückgewiesen.
Der Bundestags-Verkehrsausschuss wird sich noch nicht an diesem Freitag mit den Personalproblemen am Mainzer Stellwerk beschäftigen. Die SPD hatte für diesen Termin eine Sondersitzung mit Ramsauer beantragt. Sie kommt nicht zustande, wie das Büro von Ausschuss-Chef Anton Hofreiter (Grüne) auf Anfrage bestätigte. Einen neuen Termin gab es zunächst nicht. Bundestagspräsident Norbert Lammert lehnte die Sondersitzung in der Sommerpause ab, da eine besondere Dringlichkeit nicht gegeben sei.
Die Grünen im Bundestag verlangten eine bessere Entschädigung der Fahrgäste. „Wir fordern die Deutsche Bahn auf, alle Zeitkarteninhaber zügig und umfassend zu entschädigen“, sagte Fraktionschefin Renate Künast der dpa. Pendler, die morgens und abends jeweils Verspätungen von 50 Minuten hinnehmen müssten, sollten schon ab 30 Minuten Verspätung Anspruch auf eine Erstattung haben. Die Deutsche Bahn will Fahrgästen mit Zeitkarten entgegenkommen. „Wir schauen uns den Einzelfall an“, sagte eine Sprecherin.
Für den Mainzer Hauptbahnhof kündigte die Bahn ab dem Schulbeginn montags weitere Linderung an: Dort sollen nicht nur für morgens mehr Züge halten, sondern nun auch nachmittags. Bahnkunden können sich per kostenloser Hotline über 0800 510510 informieren.