Bali als letzte Chance: WTO ringt um neue Welthandelsrunde
Genf (dpa) - Weniger als zwei Wochen vor der Welthandelskonferenz auf Bali haben die fast 160 beteiligten Staaten trotz intensiver Verhandlungen noch keinen Konsens für ein Abkommen erreicht.
Das für Donnerstag angesetzte Treffen des höchsten Gremiums der Welthandelsorganisation (WTO), des Generalrates, musste deshalb kurzfristig verschoben werden. Ein Durchbruch sei aber noch möglich, erklärten Diplomaten.
Dafür wolle man die Marathonverhandlungen hinter verschlossenen Türen über die erste Reform des Welthandelssystems seit vielen Jahren unbedingt fortsetzen.
WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo hatte zuvor eindringlich vor einem Scheitern der Bemühungen der beteiligten Staaten um einen Neustart zur Liberalisierung des globalen Handels gewarnt. Bei der Weltkonferenz auf Bali (3. bis 6.12.) soll die Stagnation der sogenannten Doha-Runde überwunden werden, indem statt einer umfassenden Lösung zunächst nur Vereinbarungen auf Teilgebieten abgesegnet werden.
Besonders umstritten ist die angestrebte Verringerung von Agrarsubventionen. Die Forderung von Entwicklungsländern an die Industriestaaten, Subventionen für Agrarexporte verbindlich um 50 Prozent zu senken, stieß laut Diplomaten auf Widerstand durch die USA und die EU. Akzeptiert werde von den Industriestaaten, dass Entwicklungsländer Subventionen für ihre Landwirtschaft zunächst nur um 25 Prozent reduzieren müssen.
Gerungen wird auch um die Forderung der G33 - ein informeller Zusammenschluss von 33 Entwicklungs- und Schwellenländern, unter ihnen China und Indien - die staatliche Preisfestsetzung für Lebensmittel zwecks Schaffung von Nahrungsmittelreserven zu erlauben. Während der Westen dies grundsätzlich zugesteht, ist unklar, welche Nahrungsmittel erfasst und in welchem Umfang sowie für welche Zeiträume solche Sicherheitsmaßnahmen erlaubt werden.
Fortschritte gab es dem Vernehmen nach bei Bemühungen um globale Handelserleichterungen. So hätten sich die Unterhändler auf Grundzüge eines Abkommens über vereinfachte Zollabwicklungen und einer besseren internationale Kooperation der Zollbehörden verständigt.
Ein Scheitern der 9. WTO-Ministerkonferenz würde das Vertrauen in die vor 18 Jahren geschaffenen Organisation zweifellos weiter aushöhlen. Handelsdiplomaten sehen Bali daher als „letzte Chance“. Ziel des 2001 in Doha (Emirat Katar) vereinbarten Prozesses ist eine weltweite Handelsliberalisierung. Davon sollen wesentliche Konjunkturimpulse ausgehen. Dabei gilt aber der Grundsatz, dass alle Einzelfragen gelöst sein müssen, ehe ein Gesamtabkommen in Kraft treten kann.
Diese „Pattsituation“ soll laut Azevêdo auf Bali überwunden werden. Sollte dies nicht gelingen, wären wirtschaftlich schwache Länder die Leidtragen, warnte er und fügte hinzu: „Die Welt wird nicht ewig auf die WTO warten.“
Weil im Rahmen der in Genf angesiedelten Organisation bisher keine echten Fortschritte erreicht wurden, haben die großen Wirtschaftsmächte und -blöcke längst die Geduld verloren. Sie haben begonnen, ihre Handelsströme durch bilaterale oder regionale Verträge abzusichern. Dazu gehört das von den USA und der EU geplante Freihandelsabkommen.