Gesetzlichen Krankenversicherung Barmer-Chef: Arbeitgeber bei Kassenbeitrag stärker belasten
Steigende Kosten dürfen laut Christoph Straub nicht nur von Beschäftigten getragen werden. Wahlfreiheit für Privatpatienten gefordert.
Düsseldorf. Barmer-Chef Christoph Straub fordert neue Strukturen für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung. „Es kann nicht sein, dass die zusätzlichen Kosten nur von den Arbeitnehmern getragen werden“, sagte Straub im Gespräch mit unserer Zeitung. „Wir brauchen wieder eine stärkere Beteiligung der Arbeitgeber“.
Die paritätische Finanzierung der Kassen wurde Mitte 2005 in der Endphase der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder wegen der damals anhaltend hohen Arbeitslosigkeit abgeschafft. Heute zahlen Arbeitgeber und -nehmer jeweils 7,3 Prozent des Bruttoeinkommens bis zur Bemessungsgrenze von 4350 Euro monatlich. Hinzu kommt ein Zusatzbeitrag von durchschnittlich 1,1 Prozent, den die Beschäftigten alleine tragen müssen.
Straub erwartet, dass die Kosten im Gesundheitsbereich deutlich steigen werden. „Maßgebend dafür ist der medizinische Fortschritt, weniger die demografische Entwicklung“, so Straub. Komplexe Operationen oder Chemotherapien seien heute auch bei älteren Patienten möglich. „Wir alle begrüßen diesen Fortschritt, aber er ist eben auch teuer.“ Bliebe die Rechtslage unverändert, müssten die höheren Ausgaben über steigende Zusatzbeiträge der Beschäftigten gedeckt werden.
Der Kassenmanager hält das Nebeneinander von Gesetzlicher (GKV) und Privater Krankenversicherung (PKV) „für nicht mehr zeitgemäß“. Aus seiner Sicht ist es in einem ersten Schritt notwendig, „den PKV-Mitgliedern zumindest Wahlfreiheit zu garantieren“. Es sollte allen Privatversicherten jederzeit möglich sein, „unter Mitnahme ihrer Alterungsrückstellungen innerhalb des PKV-Marktes das Unternehmen zu wechseln“. Jeder müsse ohne Hürden wechseln können — egal, ob es bei der Versicherung um eine Autohaftpflicht oder eine Krankenkasse gehe.
Obwohl Privatpatienten bei der Terminvergabe oft bevorzugt würden, gibt es laut Straub keine Zweiklassenmedizin. Der Chef von Deutschlands zweitgrößter Kasse verweist darauf, dass mehr PKVVersicherte in die GKV wollen als umgekehrt. „Das spricht für eine gute Versorgung der Kassenpatienten.“ Bei Privatversicherten bestehe eher die Gefahr der Überversorgung. Vor allem Privatpatienten im höheren Alter wären gerne wieder in der GKV mit relativ stabilen Beiträgen und einer kostenlosen Familienversicherung.
Um das Missverhältnis bei der ärztlichen Versorgung zwischen Stadt und Land auszugleichen, hält Straub nichts von gesetzlichen Vorgaben. Er plädiert für Anreize, damit Mediziner sich in ländlichen Regionen niederlassen.
Der Verband der Ersatzkassen geht da in einem Thesenpapier zur NRW-Landtagswahl deutlich weiter. Er fordert, „in überversorgten städtischen Regionen eine Nachbesetzung freiwerdender Arztsitze gesetzlich vollständig auszuschließen“. Zahlreiche Ausnahmeregelungen lassen es heute zu, dass Ärzte ihre Zulassung auch dann an einen anderen Arzt verkaufen dürfen, wenn es in der Region eine Überversorgung gibt.