Dürre-Schäden Bauern dringen auf rasche Milliardenhilfe
Berlin (dpa) - Angesichts bedrohlicher Einbußen durch die wochenlange Dürre in vielen Regionen Deutschlands dringen die Bauern auf rasche Nothilfen.
„Eine Milliarde Euro wäre wünschenswert, um die Ausfälle auszugleichen“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dafür sollten der entsprechende Notstand erklärt und dann ein solches Budget bereitgestellt werden. An diesem Dienstag wollen Bund und Länder eine erste Bestandsaufnahme zu Schäden auf Feldern und Wiesen machen. Das Bundesagrarministerium bekräftigte, dass über besondere Bundeshilfen erst nach der für Ende August geplanten Abschlussbilanz der Ernte entschieden werden soll.
Rukwied sagte: „Wir fordern jetzt Liquiditätshilfen, damit wir Betriebe, deren Ertrag mehr als 30 Prozent unter dem Schnitt der letzten Jahre liegt, direkt unterstützen können.“ Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft mahnte als schnelle Hilfe in erster Linie „faire Erzeugerpreise“ bei allen Marktbeteiligten an. Rufe nach staatlichen Hilfen seien zu einfach.
Wegen anhaltender Hitze und Trockenheit vor allem im Osten und Norden Deutschlands befürchten viele Bauern massive Ausfälle bei der Ernte von Getreide, aber auch von Gras als Tierfutter. Dies könne teils existenzbedrohende Ausmaße annehmen, heißt es von der Branche. Am Dienstag wollen Ministeriumsexperten von Bund und Ländern in Berlin über die Lage beraten. An diesem Mittwoch will Bundesministerin Julia Klöckner (CDU) dann auch das Kabinett informieren. Beschlüsse über mögliche Bundeshilfen werden von beiden Terminen nicht erwartet.
Zuerst liegt die Zuständigkeit für Unterstützungsangebote bei den Ländern, die Zuschüsse geben können. Als Hilfen möglich sind unter anderem auch schon Darlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank, zudem können ökologische Vorrangflächen ausnahmsweise bewirtschaftet werden. Erst wenn Schäden von „nationalem Ausmaß“ festgestellt werden, kann auch der Bund Finanzhilfen leisten. Zuletzt war dies 2003 wegen einer Dürre der Fall und 2013 wegen Hochwasserschäden.
Unionsfraktionsvize Gitta Connemann (CDU) mahnte baldige Klarheit an. „Bund und Länder müssen jetzt so schnell wie möglich entscheiden, ob es sich bei der diesjährigen Dürre um ein Schadenereignis nationalen Ausmaßes handelt.“ Fest stehe aber schon jetzt, dass die Situation dramatisch sei. „Die Luft brennt im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht um Existenzen.“
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) befürwortete es, schnell Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise zu prüfen. Es könne aber nicht nur darum gehen, kurzfristig Ernteausfälle auszugleichen, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). „Wir brauchen eine konsequente Strategie zur Klimaanpassung in der Landwirtschaft.“
Klöckner äußerte sich erneut „sehr besorgt“ über die Dürre-Situation. „Es zeichnen sich geringere Getreideerträge, starke Trockenschäden bei Kartoffeln, Mais und Zuckerrüben ab. Viele Viehhalter haben Not, ihre Tiere zu versorgen, weil das Gras als Futter fehlt.“ Eine kleine Entlastung sei für den einen oder anderen Hof, dass Erzeugerpreise um etwa zehn Prozent im Vergleich dem Vorjahr gestiegen seien.
Eventuelle Folgen der Dürre für Supermarktkunden sind noch ungewiss. Eine Mengenprognose und damit womöglich verbundene Auswirkungen auf die Preise könnten aus heutiger Sicht seriös noch nicht abgegeben werden, hieß es etwa bei der Rewe Group. Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie verwies auf generell länger laufende Lieferverträge, wobei nicht alle Preissteigerungen eins zu eins an die Verbraucher weitergegeben würden. Insgesamt sei der Einkauf von Rohstoffen für Produkte global angelegt, erläuterte eine Sprecherin.
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) forderte angesichts der Dürre und der geringeren Menge an Futtermitteln deutlich höhere Milchpreise. „Nötig wären 41 Cent pro Liter“, sagte Sprecher Hans Foldenauer dem „Tagesspiegel“ (Montag). Im Mai hatten Experten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen für den Herbst Auszahlpreise von 36 bis 38 Cent je Liter erwartet.
Es gibt in der deutschen Landwirtschaft aber auch Profiteure des heißen Wetters. So startet die Traubenlese in diesem Jahr schon Anfang der kommenden Woche (6. August) - und damit so früh wie nie zuvor. „Der Entwicklungsstand der Reben ist dem 30-jährigen Mittel um gut drei Wochen voraus“, teilte das Deutsche Weininstitut mit.
Die bisherige Rekordmarke hatten die Jahre 2007, 2011 und 2014 mit einem Lesebeginn jeweils am 8. August gehalten. Die ersten Trauben der diesjährigen Lese gehen in die Federweißer-Produktion. Auch manchen Obstbauern kommt die trockene Hitze derzeit eher entgegen.