Bei Finanzsteuer soll zunächst der Aktienhandel belastet werden
Brüssel (dpa) - Die europäische Finanzsteuer wird voraussichtlich als eine Abgabe auf den Aktienhandel starten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sprach in Brüssel dafür aus, Derivate - das sind spekulative Finanzprodukte - mit einzubeziehen.
„Wir wissen, dass eine schrittweise Einführung auch nicht das Optimum ist, aber es ist besser als gar nichts.“ Bei den deutsch-französischen Regierungsberatungen am Mittwoch in Paris wird das Thema eine wichtige Rolle spielen.
Schäubles französischer Amtskollege Pierre Moscovici sagte, bis zu den Europawahlen Ende Mai solle ein Vorschlag auf dem Tisch liegen. Die Ressortchefs der elf Mitgliedsstaaten, die die Abgabe einführen wollen, berieten über das Projekt. „Es ist noch Arbeit nötig, um einen Kompromiss zu erreichen“, so Moscovici. Schäuble äußerte sich nicht zum Zeitplan.
Es handelt sich um eine Abgabe auf Wertpapiergeschäfte zum Eindämmen von Spekulationen. Banken, Versicherungen oder Investmentfonds müssten nach bisherigen Plänen die Abgabe auf jede Transaktion zahlen. Die Steuer könnte laut EU-Kommission bei vollständiger Umsetzung etwa 34 Milliarden Euro pro Jahr in die Kassen der elf Staaten bringen, davon allein 12 Milliarden in Deutschland.
Die Kommission hatte vorgeschlagen, Geschäfte mit Aktien und Anleihen mit 0,1 Prozent und solche mit spekulativen Finanzprodukten (etwa Derivate) mit 0,01 Prozent zu besteuern. Es wollen auch Österreich, Belgien, Griechenland, Estland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei und Slowenien mitziehen.
Schäuble sagte, „dass wir vermutlich beginnen werden mit einer Besteuerung des Aktienhandels“. Das mache aber „nur Sinn, wenn man auch Derivate so weit einbezieht, dass man nicht mit irgendeiner Regulierung die Umgehungsmöglichkeiten schon kreiert hat(...)“. Österreich habe in der Elfer-Gruppe die Gesprächsführung übernommen.
Im Tauziehen mit dem Europaparlament über strittige Punkte beim Verfahren zur Abwicklung von Pleitebanken kommen die EU-Staaten in kleinen Schritten voran. „Ich habe schon den Eindruck, dass große Bereitschaft da ist, noch vor den Europawahlen (im Mai) zu einem Kompromiss zu kommen“, sagte Österreichs Ressortchef Michael Spindelegger. Auch Amtskollegen zeigten sich zuversichtlich. „Wir werden eine Lösung finden“, sagte Schäuble.
Die EU-Kassenhüter hatten sich im Dezember auf einen Rahmen für das Schließen oder Sanieren maroder Banken geeinigt. Ein gemeinsamer Topf soll dafür über zehn Jahre hinweg mit Bankengeldern aufgebaut werden und am Ende 55 Milliarden Euro umfassen. Damit soll verhindert werden, dass bei Bankenschieflagen wieder Steuerzahlergelder in Anspruch genommen werden.
Es zeichnen sich nun die ersten Kompromisslinien ab. Laut Spindelegger muss das Europaparlament hinnehmen, dass der gemeinsame Fonds für die Bankenabwicklung auf einem zwischenstaatlichen Vertrag beruht. Dieser Punkt sorgt auch innerhalb der Volksvertretung für Meinungsverschiedenheiten. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold und die liberale Parlamentarierin Sylvie Goulard kritisierten Parlamentschef Martin Schulz (SPD). Dieser hatte in einem Interview der Tageszeitung „Die Welt“ signalisiert, unter bestimmten Bedingungen die zwischenstaatliche Lösung hinzunehmen. „Martin Schulz stellt demokratische Rechte des Europaparlaments zur Disposition“, so die beiden Abgeordneten. Sie warfen Schulz vor, sich „in die Verhandlungstaktik einzumischen“.
Auf der anderen Seite zeigen sich die Minister beweglich. So könnten die sehr komplizierten Entscheidungswege vereinfacht werden, sagte Moscovici. Es sei auch denkbar, dass der Bankenfonds auch selbst Kredite aufnehmen könne. Nach Angaben von Diplomaten könnte eine solche Variante ins Spiel kommen, falls die Fondsgelder nicht ausreichten. Zudem wird darüber nachgedacht, den Fonds früher als bisher geplant als eine gemeinsame europäische Einrichtung zu führen. Die Europäische Zentralbank hatte darauf gedrungen, den Fonds schon innerhalb von fünf Jahren vollständig aufzubauen.
Die Chefin der neuen Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB, Danièle Nouy, informierte die Ressortchefs über den Aufbau der neuen Behörde. Die Aufsicht soll Anfang November starten und rund 130 große Geldhäuser der Eurozone direkt überwachen. Damit soll nach Jahre der Krise das Vertrauen in Europas Finanzbranche gestärkt werden.