Handy-Stress sogar im Urlaub
Gewerkschaften wollen schärfere Vorschriften bei Anrufen und E-Mails. Autobauer haben sie schon.
Berlin. E-Mails nach Feierabend lesen oder am Wochenende dem Chef noch schnell eine wichtige Frage beantworten: Die ständige Erreichbarkeit ist für viele Beschäftigte inzwischen zu einem Problem geworden. Immer mehr Unternehmen treffen zwar Vereinbarungen, um Arbeitszeit flexibler zu gestalten und die Freizeit der Mitarbeiter zu schützen. Die IG Metall sieht aber einen generellen Regelungsbedarf.
Eine bundesweit einheitliche Regelung zum Schutz vor Mail-Stress nach Feierabend gibt es nicht, dafür inzwischen aber etliche betriebliche Vereinbarungen in deutschen Unternehmen. Zuletzt hatte der Autobauer BMW für seine Büromitarbeiter in Deutschland eine Betriebsvereinbarung mit der Arbeitnehmervertretung geschlossen, die ein Recht auf Unerreichbarkeit nach Feierabend beinhaltet.
Ähnliche Regelungen gibt es auch bei anderen großen Autobauern und bei der Telekom. Hier haben sich die leitenden Angestellten verpflichtet, ihren Mitarbeitern nach Dienstschluss oder im Urlaub keine Mails hinterher zu schicken. Ausnahmen müssen gesondert vereinbart werden.
Auch Daimler setzt auf Funkstille in der Freizeit: Wer nicht im Dienst ist, kann seine E-Mails auf Wunsch automatisch löschen lassen. Der Absender erhält dann eine Abwesenheitsnachricht mit den Kontaktdaten eines Vertreters. Die eigentliche E-Mail wird gelöscht.
Bei Audi gibt es eine Betriebsvereinbarung, die das mobile Arbeiten mit Laptop und Smartphone regelt. Mitarbeitern, die von zu Hause arbeiten wollen, werde in Abstimmung mit dem Vorgesetzten die jeweilige Arbeitszeit angerechnet.
Bei VW zog der Betriebsrat bereits Ende 2013 eine positive Bilanz seiner strikten E-Mail-Sperre nach Feierabend. Die Wolfsburger hatten Ende 2011 Tarifbeschäftigten mit einem Dienst-Smartphone die E-Mails in Randzeiten, am Wochenende oder an Feiertagen abgeschaltet. Führungskräfte sind ausgenommen.
Gewerkschaften und Arbeitsschutz-Experten warnen vor gravierenden Folgen der ständiger Erreichbarkeit. Sie sei „Fluch und Segen zugleich“, gibt Jörg Feldmann von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in Dortmund zu bedenken. „Auf der einen Seite ist eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich. Auf der anderen Seite kann die Erholung völlig auf der Strecke bleiben.“
Das kann dann unter Umständen schwerwiegende Folgen für die Mitarbeiter haben, „sowohl gesundheitlicher Art, aber auch für das soziale Umfeld“, so Feldmann. IG-Metall-Vorstandsmitglied Christiane Benner hält betriebliche Vereinbarungen für erstrebenswert. Sie sieht aber ebenso die Politik in der Pflicht und macht sich für strengere Regelungen stark.
„Vereinbarungen auf betrieblicher Ebene sind zu begrüßen. Voraussetzung sind aber oft ein bereits gutes Arbeitsklima und eine gute Unternehmenskultur.“ Daher sei der Gesetzgeber gefragt: „Ich könnte mir vorstellen, dass man Eckpunkte formuliert, die am Ende in ein Gesetz fließen könnten. Es geht darum, das Recht auf Abschalten zu verankern und der Entgrenzung der Arbeit Einhalt zu gebieten.“
Das Bundesarbeitsministerium will vor weiteren konkreten Schritten erst einmal zusätzliche wissenschaftliche Daten sammeln.