Beispiellose Hilfsaktion gegen Athens Staatspleite
Brüssel/Athen/Berlin (dpa) - Atempause für Griechenland: Vier Wochen vor dem drohenden Staatsbankrott haben die Euro-Partner ein neues Hilfspaket für Athen geschnürt. In einer Marathonsitzung in Brüssel beschlossen die Euro-Finanzminister neue Kredithilfen von 130 Milliarden Euro.
Die privaten Gläubiger wollen zudem auf Forderungen in Höhe von 107 Milliarden Euro verzichten. Im Gegenzug verpflichtet sich Athen zu weitgehenden Reformen, um den gigantischen Schuldenberg zu verringern.
Griechenlands Ministerpräsident Lucas Papademos, der selbst an den Verhandlungen in Brüssel teilnahm, bezeichnete die Einigung als ein „historisches Ereignis“. Gleichwohl gibt es noch einige Hürden, bis tatsächlich Geld fließen kann. Eine endgültige Entscheidung der Euro-Partner und des IWF ist Anfang/Mitte März zu erwarten.
Die Beratungen in Brüssel zogen sich in die Länge, weil die Wirtschaftslage Griechenlands wegen der Rezession schlimmer ist als zunächst bekannt. Das Volumen des Hilfspakets musste daher erhöht werden. Da die europäischen Steuerzahler nicht stärker zur Kasse gebeten werden sollten, mussten die privaten Gläubiger auf einen größeren Teil ihrer Forderungen verzichten.
Banken, Versicherungen und Fonds - also die privaten Gläubiger - sollen nun auf 53,5 Prozent ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Das bedeutet für Athen laut internationalem Bankenverband IIF eine Entlastung um 107 Milliarden Euro. Ursprünglich waren 100 Milliarden Euro vorgesehen. Der IIF sprach von der „bisher größten Umstrukturierung von Staatsschulden“ aller Zeiten.
Ob auch wirklich genügend Banken bei dem Schuldenschnitt mitmachen, werden erst die kommenden Wochen zeigen. „Wir erwarten eine sehr hohe Beteiligungsrate“, sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker. Auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich „sehr zuversichtlich“. Falls die Beteiligung zu niedrig ausfällt, will die griechische Regierung die privaten Gläubiger per Gesetz notfalls zum Forderungsverzicht zwingen.
Auch die öffentlichen Geldgeber legten noch drauf: Für die bilateralen Kredite des ersten Hilfspakets in Höhe von 110 Milliarden Euro, die im Mai 2010 Griechenland gewährt worden waren, halbieren sie die vereinbarten Zinsen. Denn der Finanzdruck in Athen ist immens: Am 20. März muss Griechenland 14,5 Milliarden Euro Schulden tilgen - die das Land aber nicht hat.
Die Euro-Finanzminister beschlossen Kredithilfen von 100 Milliarden Euro für Griechenland. Das Geld ist vor allem zur Schuldentilgung gedacht. Hinzu kommen 30 Milliarden Euro als Anreiz für die privaten Gläubiger, ihre alten Anleihen gegen neue mit langer Laufzeit umzutauschen. Zusammen macht das 130 Milliarden Euro. EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer „beispiellosen Solidarität der Euro-Partnerstaaten Griechenlands“.
Als Geldgeber soll auch wieder der Internationale Währungsfonds (IWF) mitmachen. Am ersten Paket hatte sich der IWF zu einem Drittel beteiligt. IWF-Chefin Christine Lagarde machte einen bedeutsamen Beitrag des IWF von einer Aufstockung des neuen Euro-Krisenfonds ESM abhängig. Nach Angaben von Schäuble hat der IWF einen Beitrag von 13 Milliarden Euro in Aussicht gestellt.
Griechenland muss im Gegenzug für das Gesamtpaket mehr Kontrollen akzeptieren und einen Teil seiner Budgethoheit abgeben. Auch das von Deutschland geforderte Sonderkonto gehört dazu. Zudem muss Griechenland Reformen vorantreiben und für mehr Wachstum sorgen. „Das ist kein Selbstläufer, die Vorbedingungen müssen erfüllt werden“, mahnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Einhaltung der Auflagen soll künftig laufend von der Troika aus Experten von EU-Kommission, IWF und EZB überwacht werden.
Athen will seinen Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung senken - erlaubt sind aber eigentlich nur maximal 60 Prozent. Die beschlossenen Maßnahmen würden sicherstellen, dass Griechenlands Schulden dann 120,5 Prozent erreichten, heißt es in der Erklärung. Derzeit liegt der Schuldenstand bei fast 170 Prozent.
Einige nationale Parlamente in den Euro-Staaten müssen dem Paket noch zustimmen. Schäuble zeigte sich am Dienstag zuversichtlich, dass die Mehrheit der schwarz-gelben Koalition für das neue Griechenlandpaket bei der Abstimmung im Bundestag am 27. Februar zustandekommen wird.
Der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, erklärte, ohne tiefgreifende Reformen werde Athen seine Schulden nicht tragen können. „In der zweiten Jahreshälfte ist die Wahrscheinlichkeit beträchtlich, dass eine frustrierte Staatengemeinschaft Griechenland den Geldhahn zudreht.“
Auch die private Berenberg Bank sieht die Gefahr einer Staatspleite nicht gebannt. „Unserer Meinung nach bleibt die Gefahr hoch, dass sich Griechenland in die wirtschaftliche Depression spart, in die Insolvenz schlittert und aus der gemeinsamen Währung austreten muss“, schreibt Volkswirt Christian Schulz in einer Analyse.
Am deutschen Aktienmarkt wurden am Dienstag nach der Einigung auf das zweite Hilfspaket Gewinne mitgenommen. Bis zum Nachmittag gab der Dax um 0,68 Prozent auf 6901 Punkte nach. Der Kurs des Euro gab etwas nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3222 (1,3266) Dollar fest.