Berlin streitet mit Brüssel um Schließung von Banken

Brüssel (dpa) - Wer darf die Schließung einer maroden Bank anordnen? Bisher sind es nationale Behörden. Die EU-Kommission will die Entscheidung zentral in Brüssel fällen. Die Bundesregierung hält das für eine Kompetenzüberschreitung.

Auch die deutschen Banken laufen Sturm.

Als Lehre aus der Krise will die EU-Kommission künftig zentral anordnen, wann eine marode Bank in Europa dicht gemacht werden muss. Zum Schutz der Steuerzahler sollen sich die Institute zudem an den Kosten der Abwicklung stärker beteiligen. So sollen sie in einen gemeinsamen EU-Fonds einzahlen, der im Notfall einspringt. Dies hat der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier vorgeschlagen. „Banken sind grenzübergreifend im Geschäft, Aufseher und Abwicklungsbehörden sind national. So kann es nicht weitergehen“, sagte Barnier. Die Bundesregierung lehnt die Pläne weitgehend ab.

Mit dem Vorschlag überschreite Barnier die Kompetenzen der Brüsseler Behörde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Die Bundesregierung ist demnach nicht bereit, der EU-Kommission die Entscheidung über die Schließung angeschlagener Banken zu überlassen. Bislang liegt dies in der Kompetenz nationaler Behörden, in Deutschland bei der Bankenaufsicht Bafin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sieht keine Rechtsgrundlage dafür und hatte bereits eine Änderung der EU-Verträge ins Gespräch gebracht.

Der neue Fonds und das neue europäische Gremium sollen im Januar 2015 an den Start gehen. Allerdings bedürfen die Pläne noch der Zustimmung des Europaparlamentes und der EU-Staaten. Laut Diplomaten wird Deutschland im Ministerrat auf Änderungen pochen, auch Frankreich hat Bedenken.

Barnier gab sich kompromissbereit: „Ich schließe nicht aus, dass es zu einer späteren Vertragsänderung kommt.“ Zudem betonte der EU-Kommissar, wenn bei der Abwicklung öffentliche Gelder benötigt würden, müsse das betroffene Land zustimmen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine Entscheidung treffen, wo man Geld von Deutschland oder Frankreich braucht, ohne die Zustimmung des Ministers aus Deutschland oder Frankreich“, sagte Barnier.

Die Grundidee scheint nicht umstritten zu sein. Bereits Ende Mai hatten Frankreichs Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel in einem deutsch-französischen Papier von einem „einheitlichen Abwicklungsgremium“ gesprochen, das die nationalen Behörden einbinde.

Gerät eine Großbank ins Schlingern, soll nach dem Willen Brüssels ein neues Gremium - aus insgesamt 300 Vertretern von EU-Staaten, EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) - einen Vorschlag für die Abwicklung machen. Die Entscheidung über die Schließung der Bank soll die EU-Kommission in Abstimmung mit nationalen Aufsehern treffen. In den Euro-Ländern gibt es rund 6000 Banken.

Widerstand kommt auch von den deutschen Banken. Denn die EU-Kommission plant einen gemeinsamen EU-Abwicklungsfonds, der die Kosten der Schließung übernimmt. Dort soll binnen zehn Jahren eine Summe von 60 bis 70 Milliarden Euro angespart werden. Die Beiträge sollen von den Banken selbst oder - falls wie in Deutschland vorhanden - von den nationalen Abwicklungsfonds kommen.

Der Präsident des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB), Gunter Dunkel, kritisierte: „Es ist für uns indiskutabel, wenn die von den deutschen Kreditinstituten geleisteten Beiträge für die Rettung von Banken aus anderen Mitgliedstaaten herangezogen werden.“ Ebenso wie Dunkel stellte sich Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon hinter Berlin: „Wir teilen die Auffassung der Bundesregierung, dass keine ausreichende demokratische Legitimierung für die Errichtung des vorgesehenen EU-Abwicklungsgremiums unter Leitung der Kommission vorhanden ist.“ Nach Ansicht der in der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zusammengeschlossenen Spitzenverbände müssten die EU-Verträge geändert werden, falls Kompetenz verlagert werden solle.

Die EU-Länder hatten sich Ende Juni bereits auf gemeinsame Regeln für den Fall einer drohenden Bankenpleite geeinigt. Demnach müssen ab 2018 in erster Linie Aktionäre und Kunden für die Rettung maroder Banken aufkommen. Dies soll den Steuerzahler entlasten. Kleinsparer mit Einlagen bis 100 000 Euro sind im Fall einer Bankenkrise aber geschützt. Danach werden die Abwicklungsfonds angezapft. Erst am Schluss soll Steuerzahlergeld genutzt werden.

Die gemeinsamen Abwicklungsregeln sind ein Pfeiler der geplanten Bankenunion, die Bankenkrisen künftig verhindern soll. Ein weiterer Pfeiler ist eine zentrale Aufsicht, die bei der EZB angesiedelt ist und im Sommer 2014 ihre Arbeit aufnehmen soll. Erst dann können Krisenbanken direkte Hilfe aus dem Euro-Rettungsfonds ESM erhalten. Der dritte Pfeiler, ein gemeinsamer Schutz für die Einlagen der Kunden, ist noch umstritten.