Billig für die Lufthansa: SunExpress startbereit für Langstrecke
Frankfurt/Main (dpa) - Dem Airline-Manager Paul Schwaiger ist nach eigenem Bekunden etwas mulmig geworden, als er sich die Betriebskosten eines zehnstündigen Langstreckenflugs vor Augen führte.
Sollte die Maschine nicht gut ausgelastet sein, erreichten die möglichen Verluste „erschreckende Dimensionen“, gibt der Chef des deutsch-türkischen Ferienfliegers SunExpress gern zu. Wie gut, wenn das unternehmerische Risiko da beim Lufthansa-Konzern liegt und SunExpress mit billigem Personal helfen kann, die Kosten zu senken.
Das vor 25 Jahren von Lufthansa und Turkish Airlines gegründete Gemeinschaftsunternehmen hat sich vom kleinen Gastarbeiterflieger zum Hoffnungsträger für die neue Billigstrategie des Lufthansa-Konzerns gemausert. Von November an werden ab Köln-Bonn regelmäßig zunächst zwei von SunExpress betriebene Airbus A330 in der neuen Eurowings-Lackierung zu sogenannten Warmwasserzielen aufbrechen.
Dass die zehnköpfige Crew bei SunExpress angestellt ist, soll der Fluggast möglichst gar nicht bemerken. Ein schneller Aufbau auf sieben Maschinen ist geplant - so sich denn ausreichend Kunden finden, die in erster Linie günstig in den Fernurlaub düsen wollen.
Die rechtlichen Verhältnisse an Bord sind etwas kompliziert. Laut Schwaiger least die Lufthansa die Jets von einem Dienstleister, um sie ihrerseits an die SunExpress leer weiter zu vermieten. Die deutsche SunExpress-Tochter führt die Flüge dann mit eigenen Piloten und Servicekräften im Auftrag der Eurowings aus.
Um 30 bis 40 Prozent lägen die Stückkosten unter denjenigen der alteingesessenen Airlines, sagt Schwaiger. Die Kerosinrechnung bleibt bei dieser Kalkulation allerdings noch außen vor.
Vor allem die niedrige Gehaltsstruktur hat den Ausschlag für den Auftrag an die SunExpress Deutschland gegeben, die nun rund 200 Piloten und Flugbegleiter einstellen will. „Wir zahlen normale Pilotengehälter“, betont Schwaiger und nennt ein Jahresgrundgehalt von 84 000 Euro für einen frischgebackenen Kapitän.
Das mag für viele Arbeitnehmer eine stolze Summe sein - ist aber für die Flugkapitäne selbst 50 000 Euro weniger Gehalt als auf der gleichen Position bei der Lufthansa. SunExpress kann auch mit günstigen Wartungskosten punkten, Sprit und Gebühren zahlt ohnehin der Leasing-Auftraggeber. In der Kabine setzt der Ferienflieger in seinem bisherigen Verkehr auch Leiharbeiter ein.
Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) sieht das Konstrukt kritisch. „Je weiter man fliegt, desto geringer sind die möglichen Ersparnisse mit dem Lowcost-Modell“, sagt VC-Sprecher Jörg Handwerg.
Sparpotenzial gebe es vor allem bei den Prozessen am Boden - nicht aber beim Kerosin, das auf der Langstrecke der mit Abstand größte Kostenblock ist. Es sei durchaus zweifelhaft, ob Lufthansa mit dem neuen Produkt Eurowings-Langstrecke tatsächlich Geld verdienen könne: „Am Ende macht man sich nur die eigenen Preise kaputt.“
Der Dienstleister SunExpress kann auf eine gesunde Entwicklung zurückschauen. Die reine Boeing-Flotte umfasst derzeit 74 Flugzeuge, rund 3000 Menschen arbeiten für das Unternehmen. Im vergangenen Jahr machte SunExpress bei einer Rendite von rund 5 Prozent erstmals mehr als eine Milliarde Euro Umsatz (1,025 Mrd/+15 Prozent) - wovon rund drei Viertel auf die Kerngesellschaft in der Türkei entfielen.
Mit einem Umsatzanteil von rund 20 Prozent wird zudem das Geschäftsfeld der Auftragsfliegerei mit den Kunden Turkish Airlines/Anadolujet, der Condor und neuerdings der Eurowings immer wichtiger. Billiges Personal macht es möglich.