Blackberry-Krise: Deutscher Chef setzt zu Not-OP an
Waterloo (dpa) - Der neue deutsche Chef räumt beim angeschlagenen Blackberry-Anbieter RIM auf. Der erst seit zwei Monaten amtierende Thorsten Heins kündigte drastische Maßnahmen an. Mehrere Top-Manager sind weg.
Nach einem weiteren schwachen Quartal schloss Heins auch die Möglichkeit eines Verkaufs nicht aus. Das sei im Moment aber keine Priorität. Der frühere Siemens-Manager setzt zunächst auf Kooperationen und das Geschäft mit Unternehmen. Die Börse reagierte am Freitag mit einem Kursplus von knapp zwei Prozent auf 14 Dollar.
Im vergangenen Quartal spitzte sich die RIM-Krise mit einem Umsatzeinbruch und roten Zahlen weiter zu. Der Umsatz sank um ein Viertel auf 4,19 Milliarden US-Dollar, wie das kanadische Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Unter dem Strich gab es in dem Anfang März abgeschlossenen vierten Geschäftsquartal einen Verlust von 125 Millionen Dollar. Ein Jahr zuvor hatte RIM noch 934 Millionen Dollar Gewinn gemacht.
RIM (Research In Motion) kämpft schon seit einiger Zeit mit massiven Absatzproblemen. Die Blackberrys waren einst vor allem bei Unternehmen und Behörden als mobile E-Mail-Geräte populär. Doch inzwischen haben das iPhone von Apple sowie Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android die Blackberrys von zwei Seiten in die Zange genommen. Der Absatz fiel jetzt allein im Vergleich zum Vorquartal um 21 Prozent auf 11,1 Millionen Geräte.
RIM hatte lange den Trend zu Touchscreen-Handys ignoriert und sich an seine klassischen Modelle mit kleinem Bildschirm und kompletter Tastatur geklammert. Einer von Heins' Vorgängern, der langjährige Co-Chef Jim Balsillie, dem Investoren die Mitverantwortung an der aktuellen Misere ankreiden, verlässt jetzt auch den Verwaltungsrat. Heins räumt zudem in der Chefetage auf: Technologiechef David Yach und der bisher für das operative Geschäft zuständige Jim Rowan verlassen das Unternehmen.
Heins, der 2007 aus der früheren Kommunikationssparte von Siemens zu RIM kam, soll das Steuer herumreißen. Seine ersten Äußerungen nach Amtsantritt klangen noch nach „Weiter so“. Jetzt räumte er erstmals ein, dass das Unternehmen radikale Veränderungen brauche. RIM prüft nach seinen Worten diverse „strategische Möglichkeiten“ inklusive Partnerschaften und Gemeinschaftsunternehmen sowie die Vergabe von Lizenzen auf sein Betriebssystem. Heins will RIM wieder verstärkt auf das Geschäft mit Unternehmen ausrichten und Angebote für den Verbrauchermarkt zurückfahren.
Die große Hoffnung von RIM ist nach wie vor das nächste Betriebssystem Blackberry 10, das nach mehreren Verzögerungen nun im zweiten Halbjahr erscheinen soll. Im Mai sollen erste Prototypen präsentiert werden. Zugleich sollen günstige Geräte mit dem aktuellen Betriebssystem verstärkt in den Markt gedrückt werden. RIM hat weltweit 77 Millionen Blackberry-Kunden und wächst deutlich langsamer als der Markt.
„Wir werden jeden Stein umdrehen“, versprach Heins in der Telefonkonferenz nach den Quartalszahlen. Branchenanalysten sahen in RIM zuletzt den am meisten bedrohten Marktteilnehmer. Nach früheren Informationen des „Wall Street Journal“ sollen Microsoft und Nokia zwischenzeitlich über ein gemeinsames Angebot für RIM nachgedacht haben.
RIM lieferte im vergangenen Quartal 500 000 seiner Playbook-Tablets aus. Zum Vergleich: Apple verkaufte in seinem vergangenen Geschäftsquartal bis Ende Dezember 15,4 Millionen iPads. Vom neuen iPad konnte Apple zum Marktstart an drei Tagen alleine drei Millionen Geräte absetzen. Eine hohe Abschreibung auf die Playbook-Lagerbestände hatte RIM einmal bereits die Zwischenbilanz verhagelt.