Börse: Delle oder Trendwende?
Die Aktienmärkte gingen am Donnerstag weltweit auf Talfahrt. „Die beste Phase für Aktien ist vorbei“, sagen Analysten.
Frankfurt. Die Börsen sind plötzlich nervös: Nach dem steilen Höhenflug von einem Rekord zum anderen wird die Luft allmählich dünn. Am Donnerstag gingen die Kurse weltweit auf Talfahrt. Anleger fragen sich: Geht es nach der Delle wieder bergauf, oder ist die Trendwende eingeläutet?
Mit seinen Aussagen zur Geldpolitik hat US-Notenbankchef Ben Bernanke Anleger verunsichert. Zunächst reagierten die Börsen begeistert, weil Bernanke eine weiter lockere Geldpolitik andeutete. Doch die Ernüchterung folgte auf dem Fuße. Denn Bernanke schloss ein geringeres Tempo bei den Anleihekäufen nicht aus.
Ausgelöst wurde die weltweite Talfahrt von einer Kurskorrektur von 7,3 Prozent beim Nikkei in Japan. Diese hing vor allem mit enttäuschenden Konjunkturdaten für China zusammen. Der von der Bank HSBC erhobene Einkaufsmanagerindex für China ist im Mai erstmals seit mehr als einem halben Jahr unter die Wachstumsschwelle gesunken. Das deutet darauf hin, dass die Industrie in China geschrumpft sein könnte — mit Folgen für die Welt.
Sie fallen zumindest ziemlich heftig aus. Der deutsche Leitindex Dax lag am Donnerstag mit 2,1 Prozent im Minus. „Nach den schlechten Daten aus China kommt Angst auf. Dass schon eine geringe Abweichung vom erwarteten Wert für so deutliche Kurskorrekturen sorgt, zeigt: Der Markt ist überhitzt“, sagt Helaba-Experte Markus Reinwand. Wer in der jüngsten Kursrally früh eingestiegen sei, denke bei enttäuschenden Konjunkturdaten eher dran, auszusteigen und Gewinne mitzunehmen.
Das kann niemand seriös vorhersagen. Fakt ist: Die Geldflut der Notenbanken ist ein wichtiger Grund für die Kursrally der vergangenen Wochen und Monate. Auch wenn einige Notenbanker in den USA nun die Bremse anvisieren: An einen raschen Ausstieg ist derzeit weder bei der US-Notenbank Fed noch bei der EZB in Frankfurt zu denken. Im Gegenteil: „Die hohe Liquidität weltweit wird im laufenden Jahr noch steigen“, ist Folker Hellmeyer, Chefanalyst der Landesbank Bremen, überzeugt. Denn die Bank of Japan wolle monatlich 58 Milliarden US-Dollar in den Markt pumpen. Wenn die Fed ihr Programm von monatlich 85 Milliarden Dollar zurückfahre, würde das allmählich geschehen.“
Damit rechnen Experten nicht. Hellmeyer sieht eine Kurskorrektur, um die rasanten Anstiege zu verdauen. Er erwartet keinen Richtungswechsel, sondern hält einen Dax-Stand von 8700 Punkten zum Jahresende weiter für realistisch. Angesichts der mauen Konjunktur im Euroraum dürften die Leitzinsen noch lange niedrig bleiben. Mit der Folge, dass Sparbuch oder Tagesgeld so gut wie nichts abwerfen. Den Investoren fehlen also Alternativen.
Weitere Kurssprünge nach oben erwartet die DZ-Bank erst, wenn die Gewinne der Firmen und die Konjunktur anziehen. Helaba-Analyst Reinwand gibt zu bedenken, dass Aktien mit ihrem Anstieg seit der zweiten Jahreshälfte 2012 ihre massive Unterbewertung abgebaut haben: „Damit ist die beste Phase für Aktien vorbei. Sie sind nicht mehr so billig, dass man bedenkenlos zugreifen kann.“