Brüssel senkt Prognose für Eurozone
Brüssel (dpa) - Die Wirtschaftsaussichten in der EU haben sich weiter verdüstert. In ihrem Frühjahrsgutachten senkte die EU-Kommission am Freitag ihre Wachstumsprognosen - vor allem die Eurozone entwickelt sich schlechter als zunächst erwartet.
Im laufenden Jahr schrumpft die Wirtschaft im Euroraum voraussichtlich um 0,4 Prozent - das sind 0,1 Punkte mehr als noch im Februar vorhergesagt.
Auch für das kommende Jahr ist Brüssel weniger optimistisch: Für die 17 Euroländer sei nur ein leichtes Wachstum von 1,2 Prozent zu erwarten, 0,2 Punkte weniger als bisher. „Angesichts der sich hinziehenden Rezession müssen wir alles Mögliche tun, um die Krise der Arbeitslosigkeit in Europa zu überwinden“, forderte EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und Rezession sollen Europas Defizitsünder nun mehr Zeit zum Sparen bekommen. Überraschend sagte Rehn, Frankreich und Spanien sollen jeweils zwei zusätzliche Jahre erhalten, um die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent wieder einzuhalten.
Insbesondere Frankreich macht der EU aber Sorgen. Rehn ging mit der Wirtschaftspolitik der zweitgrößten Euro-Volkswirtschaft hart ins Gericht: „Frankreich muss sein Wachstumspotenzial entfesseln und Jobs schaffen, das ist mindestens ebenso wichtig wie das Fortführen eines konsequenten Sparkurses.“ Er forderte Reformen auf dem Arbeitsmarkt und bei den Renten - Pariser Wachstumsannahmen kritisierte er als „überholt“.
Laut EU-Prognose wird Frankreichs Wirtschaft erstmals in der Krise 2013 leicht schrumpfen. Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici wiegelte ab, die Prognoseunterschiede seien nicht so groß und für 2014 habe Brüssel ein Stabilitätsprogramm nicht berücksichtigt. Paris selbst geht jedoch für 2013 von 0,1 Prozent Wachstum sowie von einer Neuverschuldungsquote von 3,7 Prozent (2014 dann 2,9 Prozent) aus.
Die EU erwartet dagegen ein Minus von 0,1 Prozent für die Wirtschaft und eine Neuverschuldungsquote von 3,9 Prozent (2014 dann 4,2 Prozent). Rehn will Paris nun bis 2015 Zeit geben, um die Defizitgrenze einzuhalten. Staatspräsident François Hollande steht bereits innenpolitisch erheblich unter Druck, die Krise zu überwinden.
In 9 der 17 Euro-Staaten wird der EU-Prognose zufolge die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr schrumpfen, besonders stark in den südlichen Euro-Krisenländern Spanien, Portugal, Griechenland und Zypern. Für die kriselnde Inselrepublik fällt das Minus mit 8,7 Prozent am stärksten aus. Für Deutschland wird ein Plus von 0,4 Prozent für 2013 und von 1,8 Prozent 2014 vorausgesagt. Am stärksten wächst Estland 2013 mit 3,0 Prozent. Im kommenden Jahr sei nur noch für Zypern und Slowenien ein Minus zu erwarten.
Rehn erinnerte an die sozialen Folgen der Krise: Die Arbeitslosenquote steige in der Eurozone 2013 auf 12,2 Prozent, am höchsten liege sie mit jeweils 27 Prozent in Griechenland und Spanien. Im Mittelpunkt stehen laut Rehn deshalb Wachstum und neue Jobs. „Die Haushaltssanierung geht weiter, aber ihr Tempo verlangsamt sich“, sagte der Finne.
Auch Spanien soll deshalb bis 2016 Zeit bekommen, seine Finanzen in Ordnung zu bringen. Verlängerungen in den Defizitstrafverfahren sind auch bei anderen Ländern möglich, wie beispielsweise in den Niederlanden oder in Slowenien. Der Euro-Stabilitätspakt war erst im vergangenen Jahr verschärft worden. Geldstrafen gegen Defizitsünder können deshalb schneller verhängt werden als früher. In der Krise nimmt die EU-Kommission aber das Wort Sanktionen nicht in den Mund.